· 

Typische Fragen an mich - Teil 2

Typische Fragen an mich - Teil 2

Aus meinem Autorenleben: Typische Fragen an mich - Teil 2

Es gibt so ganz typische Fragen, die Autoren oft gestellt werden – ob auf Lesungen oder in Interviews.

Die beiden häufigsten habe ich bereits in Typische Fragen an Autoren - Teil 1 beantwortet. Sie lauten:

  • Wie bist du zum Schreiben gekommen?
  • Wie hast du einen Verlag gefunden?

Aber auch in meinem kürzlichen Jubiläums-Rückblick auf 15 Jahre Band 1 der Nicolae-Saga habe ich die beiden Themen aufgegriffen. Sie gehören unweigerlich zum Beginn eines jeden Schreib- und Veröffentlichungsabenteuers.

 

Heute geht es mit Teil 2 dieser Serie weiter ...

Wie viel von dir steckt in der Nicolae-Saga?

Vor vielen Jahren, ich hatte gerade die ersten beiden Bände veröffentlicht, wurde ich mal gefragt, was die Nicolae-Saga mit meiner Person zu tun hätte. Ich antwortete voller Überzeugung: nichts!

 

Das stimmte insofern, als dass ich darin weder eigene Erlebnisse noch sonstige Erfahrungen verarbeitet oder mir bekannte Personen als Vorlage für meine Romanfiguren genutzt habe. Sämtliche Charaktere sind aus sich selbst entstanden und haben die Handlung eigenmächtig vorangetrieben. Nur den groben Rahmen, also Handlungsort und Handlungszeit sowie den roten Faden, habe ich vorgegeben.

 

Während des kreativen Schreibprozesses fühlte ich mich darum eher wie ein Erfüllungsgehilfe meiner Romanfiguren – eine Art Chronistin mit tiefen Einblicken in das Familiengeschehen und Seelenleben meiner Romanfamilie.

 

Erst jetzt, mit einer gewissen Distanz, kann ich die Bestandteile erkennen, die - zumindest indirekt - mit meiner Person zu tun haben. Als da wären:

  • Meine schon im frühen Jugendalter entstandene Liebe zu England, sodass es fast einmal meine Wahlheimat geworden wäre - was den ersten Handlungsort erklärt.
  • Meine Verbundenheit zur viktorianischen Zeit, sodass ich mir vorstellen kann, schon einmal in dieser Epoche gelebt zu haben - was die Handlungszeit erklärt.
  • Mein Faible für alles Mystische und Geheimnisvolle - was den Hintergrund der Saga erklärt.
  • Meine literarischen Vorlieben für Spannung, Drama und Mystery - was die Atmosphäre der sieben Bände erklärt.
  • Mein Interesse für Psychologie, Medizin und soziale Fragen - was die Themenschwerpunkte erklärt.
  • Meine Begeisterung für Kunst, Architektur, Musik und Literatur des 19. Jahrhunderts - was die Vorlieben meiner Romanfiguren erklärt.

Dessen ungeachtet, hat sich die gesamte Handlung jenseits meiner eigenen Lebensrealität entwickelt.

Mit welcher deiner Romanfiguren kannst du dich am meisten identifizieren?

Diese Frage zielt natürlich darauf ab zu erfahren, in welcher Figur viel von mir selbst steckt.

 

Nun, das mögen andere Autoren für sich beantworten können. Ich nicht. Denn wie gesagt, sind meine Romanfiguren aus sich selbst heraus entstanden. Sie waren schon da, bevor ich ihnen „begegnete“, mit ihrer vollständigen Biografie und ihrer ganzen facettenreichen Persönlichkeit. Ich musste sie nur noch beschreiben.

 

Mit der Zeit habe ich sie natürlich immer besser kennengelernt. Und zum Schluss kannte ich sie sogar besser als sie sich selbst, denn ich hatte gleichermaßen intime Einsichten wie die nötige Distanz.

 

Hineinversetzen kann ich mich in alle meine Romanfiguren, ob sie mir nun sympathisch sind oder nicht. Das muss ich auch, um ihre Beweggründe zu verstehen. Nur so kann ich sie authentisch an die Leser vermitteln.

 

Würde man mich auf eine eindeutige Antwort festnageln, so müsste ich wohl antworten:  Judith Woodward ist mir mit am nächsten. Sie besitzt Charakterzüge, die ich mit ihr teile und die mich an mir selbst nerven.

Da wäre ihre ewige Skepsis zu nennen, weswegen sie allem auf den Grund zu gehen trachtet und selten etwas außerhalb ihres Erfahrungs- und Kenntnisbereiches gelten lässt. Judith fordert für alles eindeutige Beweise. Dinge jenseits ihrer von Vernunft beherrschten Realität fallen ihr schwer zu glauben. Der metaphysische Bereich ist ihr also absolut fremd. 

Die mystische Welt des Grafen in den rumänischen Karpaten mit ihren jahrhundertealten Sagen und Legenden stellt einen kolossalen Gegensatz zu ihrer eigenen Wirklichkeit dar. Nur langsam - über 6 Bände hinweg - lernt sie, dass Gegensätze sich nicht ausschließen, sondern einander ergänzen und zuweilen sogar bedingen, dass beides nebeneinander existieren kann. Und dass es eine verborgene Welt hinter der sichtbaren gibt, deren Zugang sie sich schließlich sogar ersehnt.

Diese Romanfigur durchlebt den wohl extremsten Wandel - und bleibt sich am Ende auf ihre Art doch treu. Zusammen mit ihr habe ich eine Menge gelernt.

Hast du einen Lieblingscharakter?

Eine Mutter hat ja angeblich all ihre Kinder gleich lieb. Ich weiß nicht, ob das auch auf Autoren und ihre „Geschöpfe“ zutrifft.

Sagen wir mal so: Es gibt durchaus Präferenzen.

 

Die Szenen mit Nicolaes acht Jahre jüngeren Schwester Natalia habe ich besonders gern geschrieben. Sie ist so herrlich direkt und unverblümt. Als Kind hat sie damit die Erwachsenen oft in eine unangenehme Lage gebracht, was zu peinlichen oder komischen Situationen führte.

 

„Ich liebe dieses kleine garstige Geschöpf“, sagt Nicolae einmal zu einem Freund in Bezug auf seine Schwester. Der Satz hätte von mir sein können. ;-)

 

Als Erwachsene ist sie gnadenlos konsequent und räumt damit unnötige Komplikationen aus dem Weg. Sie stellt ein gutes Gegengewicht zu Nicolaes verzwickter und verwickelter Gefühls- und Gedankenwelt dar.

 

Aber auch Nebenfiguren wie Maitre Jacques sind mir ans Herz gewachsen; von diesem weisen Mentor mit seinen Marotten, der seinem Zögling so viel mit auf seinen Lebensweg gibt, habe auch ich eine Menge gelernt.

 

Ich könnte noch einige mehr aufzählen. Selbst die schwierigen Charaktere habe ich lieb gewonnen. Denn es ist spannend zu erforschen, warum jemand zu dem geworden ist, was er ist. Vor allem, ob entsprechende Umstände oder Einflüsse ihn dazu bewegen können, über seinen Schatten zu springen und über sich hinauszuwachsen oder ob er auf ewig mit seiner Rolle verhaftet bleibt.


Lesen Sie zu dem Thema auch: Typische Fragen an Autoren - Teil 1