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Gefangen in der Buchbubble

Gefangen in der Buchbubble

Aus meinem Autorenleben: Gefangen in der Buchbubble

Mit Social Media hab ich so meine Probleme. Darüber habe ich mich ja schon öfter ausgelassen. Siehe meinen Blogbeitrag vom 24. November 2024: Social Media für Autoren - lohnt sich das?

 

Gebetsmühlenartig leiern die vielen Marketing-Coaches herunter, was ich tun muss, um auf Social Media erfolgreich mein Buch zu bewerben. Dass es sich dabei um einen Fulltime-Job handelt, für den namhafte Autoren ihre Leute haben, wird dabei nicht erwähnt. Ist ja aber logisch, schließlich haben Verlagshäuser fürs Marketing eine eigene Abteilung.

 

Geschenkt! Wer was erreichen will, muss dranbleiben, auch am Zeiger der Zeit, nützt ja nix. Also das eine oder andere einfach mal ausprobieren. Mein Motto lautet ohnehin: Probieren geht über Studieren. Also: Ich bin bereit und guten Willens!

Buchmarketing und seine Ratgeber

Eine Zeit lang folgte ich den Empfehlungen einer "Expertin für Buchvermarktung", die sich massiv auf Instagram und Facebook tummelt. Kein Tag vergeht, an dem mir ihre Postings nicht als Erstes angezeigt werden. Anscheinend hat sie die Sache mit dem Marketing super gut drauf - jedenfalls für ihre eigenen Belange!

 

Nun bin ich aber ein skeptischer Mensch und habe die "Expertin" erst einmal unter die Lupe genommen, sprich: gegoogelt. Eigenartig! Sie hat nicht einmal eine eigene Website, dafür aber wahnsinnig viele Tipps für Autoren, wie man eine solche richtig und "leserorientiert" aufbaut.

 

Eine Meta-Mitarbeiterin, die die ahnungslose Masse an Schreibsüchtigen auf Facebook und Instagram bei der Stange halten soll? - Ich altes Schandmaul!

LEserwunsch und Wunschleser??

"Leserorientiert" ist übrigens ihr Lieblingswort. Sie hat erkannt, dass es sich bei der guten alten "Zielgruppe" von Autoren um Leser handelt. Na, guck an!

 

Gemäß ihrer Empfehlung muss alles, was ich buchwerbetechnisch unternehme, den Wünschen meiner Leser entgegenkommen. Und dafür muss ich sie natürlich gut kennen. Ja nee, ist klar!

 

Deshalb soll ich als Erstes ein Profil meines - Achtung: Wunschlesers (!) erstellen. WHAT? 

Denn nur durch eine leserorientierte Ansprache kann ich mir erfolgreich eine Community aufbauen.

Finde den Fehler!

Weshalb sich ein Buch nicht verkauft

Auch sehr beliebt ist bei ihr - aber auch bei allen anderen Marketingberatern - die Liste, woran es liegt, wenn sich ein Buch nicht gut verkauft:

  • Das Buchcover ist nicht professionell und genre-typisch gestaltet
  • Der Klappentext ist nicht aussagekräftig genug
  • Der Autor hat keine Autorenseite bei Amazon
  • Die Landingpage ist nicht optimal aufgebaut
  • Der Autor hat keine ansprechende Website

Sollten obige Punkte nach Teilnahme an den kostenpflichtigen Webinaren nicht mehr zutreffen und das Buch sich trotzdem noch schlecht verkaufen, dann ist es höchstwahrscheinlich einfach nur sauschlecht geschrieben. Da nützt auch das beste Marketing nichts. Punktum.

Wie einfach. Und ganz schön clever! 

 

Übrigens: von cleveren Beratern und Coaches wimmelt es im Internet und insbesondere auf Social Media. Es führt fast kein Weg an ihnen vorbei. Die Strategien sind - bis auf wenige Ausnahmen - austauschbar.

Aber klar, es gibt auch einige richtig gute und seriöse Berater unter ihnen. Doch die muss man erstmal finden!

Die ewig gleichen Tipps für Social Media

Gesetzt den Fall, alle Vorgaben wären erfüllt. Wie geht es konkret auf Social Media mit der Bewerbung des Buches weiter?

Zunächst einmal wird das Übliche heruntergeleiert:

  • Zielgruppe definieren
  • leserorientierte Postings
  • witzige Storys
  • großartige Reels, die ganz viel Face zeigen
  • und epochale Karusell-Postings

Aber wie genau sieht der Content (Inhalt) aus, den ich regelmäßig zu liefern habe?

 

Serviert wird mir auf diese Frage kalter Kaffee. Das alles hatten wir doch schon vor Jahren! Das lockt nun wirklich keinen einzigen Leser mehr hinterm Ofen hervor:

  • Foto von mir und meinem Buch - Sehr originell!
  • Textschnipsel - Gähn!
  • Blick hinter die Kulissen (Autorin mit Kaffeebecher und Katze auf der Tastatur des Laptop fläzend) - Wie? Was? Sorry, war kurz eingeschlafen!
  • Jammern über die verflixte Schreibblockade, um Authentizität zu vermitteln  - Kotz! Würg!
  • Und der allerletzte Schrei:  Protakarten!!! Da ist die Community nämlich ganz heiß drauf! -  Wat is dat denn???

Tja, das musste ich auch erstmal googeln. Es handelt sich um Illustrationen von Charakteren, meist im Manga-Style gezeichnet, die besonders im Fantasy-Genre sehr beliebt sind. Das hat bestimmt seine Fans und daher seine Berechtigung in der Fantasy-Community, ist aber alles anderes als genre-kompatibel oder sinnvoll. Denn der eklatante Unterschied zwischen Film und Buch ist doch gerade, dass der Konsument von Letzterem sich seine eigenen Vorstellungen von den Romanfiguren machen soll. Oder?

vorbildliche Vorbilder - oder?

Das bringt mich also alles absolut nicht weiter.

Darum schaue ich mir zunächst einmal an, wie Autoren mit großer Reichweite das so machen.

Ich folge ihnen auf Instagram und staune über das 24-Stunden-Getexte und den regen Austausch mit den Followern.

 

Echt vorbildlich! Tolles Bildmaterial, interessante Themen, sofortige Reaktionen auf Kommentare (wer erst eine Stunde später antwortet, hat schon verloren!), Aufforderungen zu Challenges, Gewinnspielen, Schreibwettbewerben - das ganze Programm.

 

Schlafen die auch irgendwann mal? Vor allem: Wann bitte schön finden die noch Zeit, ihrer eigentlichen Arbeit, dem Schreiben von Büchern nachzugehen? Oder macht das inzwischen eine KI für sie? (Das war jetzt böse, ich weiß.)

 

Nachdem ich mich also vor Ehrfurcht vor deren Schaffenskraft und gewaltigen Anzahl an Followern verbeugt habe, komme ich ins Grübeln. Jetzt aber nicht mehr darüber, wie so etwas zu bewältigen ist. Sondern darüber, was das Ganze denn tatsächlich bringt.

 

Eine hohe Followerzahl oder auch die vielen Likes oder Klicks auf Beiträge sagen ja noch nichts über ein eventuelles Interesse an dem Buch aus, das dieser Autor anzubieten hat. Wird es denn tatsächlich von einer bestimmten Prozentzahl der Follower gekauft? Darüber wird sich zumeist ausgeschwiegen.

Wer sind die Follower eigentlich?

Als nächstes schaue ich mir deshalb die Follower an. Und was sehe ich da?

Es sind überwiegend Leute aus der eigenen Blase: also Autoren, Buchblogger, Verlagsmenschen, Buchillustratoren und natürlich ... Marketing-Berater. Logisch, oder? Die wissen schon, in welchem Teich sie fischen müssen.

Nur eine Gruppe ist verschwindend gering vertreten, nämlich genau die, die wir erreichen wollen: LESER!

 

Diese ganzen ewiggleichen Marketingtipps bringen es nur sehr bedingt. Sie funktionieren vielleicht in bestimmten Blasen. Mehrheitlich taugen sie jedoch nicht. Nur will es keiner offen zugeben.

 

Bis auf neulich! Da habe ich doch tatsächlich auf Instagram einen Beitrag entdeckt, in dem endlich jemand die Wahrheit über die große Marketing-Social-Media-Lüge beim Namen genannt hat. Wie außerordentlich mutig von der Autorin!

 

Sie fragt ihre Follower Folgendes:

  • Interessieren dich die Social-Media-Kanäle von Autorinnen überhaupt?

  • Willst du tatsächlich wissen, wie mein Schreibplatz und mein Kaffeebecher aussehen?
  • Ist es für dich wirklich interessant, an welcher Szene im entstehenden Buch ich gerade herumfeile?
  • Beeindruckt dich der Berg Recherchematerial, den ich bedeutungsschwer auf meinem Schreibtisch drapiert habe?
  • Oder wie ich am Handlungsort meines Romans auf Spurensuche gehe?

Ihre starke Vermutung ist - und auch ich habe diese von Anfang an gehabt, weil sie eigentlich auf der Hand liegt:

Die Leser, die Autoren auf Social Media folgen, wollen in erster Linie wissen, wann ein neues Buch herauskommt und worum es darin geht. Vielleicht noch ein bisschen was Persönliches. Aber damit hat es sich auch schon. Das wäre mit 3 Beiträgen erledigt.

Blubbern in der eigenen Blase

Wozu also das Ganze Brimborium?

Wozu bewerben wir aus der schreibenden Zunft uns gegenseitig in der Buchbubble?

 

Ja doch, Autoren sind auch Leser. Das stimmt. Und hin und wieder habe auch ich schon mal ein Buch eines Autors gekauft, dem ich auf Instagram oder Facebook folge. Aber das ist die rühmliche Ausnahme von der Regel und ich bin überzeugt, anderen wird es nicht anders ergehen.

 

Auf jeden Fall spricht diese Autorin es offen und ehrlich aus: Wir können uns auf den Kopf stellen und nach allen Regeln des Marketings alles richtig machen: Eine potentielle Leserschaft erreichen wir damit in den seltensten Fällen. - BÄM!

 

Jedenfalls bin ich über ihren Mut begeistert und werde weiter verfolgen, was sich daraufhin bei ihr tut - oder eben auch nicht, weil sie endlich begriffen hat, dass sie schon viel zu viel wertvolle Zeit und Energie auf diesen Plattformen verloren hat.

MEin Fazit

Warum also lassen wir Autoren uns so leicht verarschen?

Ganz einfach: Weil wir so viel Herzblut in unsere Romanwelten gesteckt haben und den Mut fanden, sie einer kritischen Öffentlichkeit zu überlassen. Und dafür tun wir alles, damit unsere Bücher ihre Leser finden, die irgendwo da draußen sein müssen. Wir klammern uns an jeden Strohhalm. Denn die Hoffnung stirbt zuletzt.

 

Aber die große Frage bleibt: Wie findet das Buch zum passenden Leser? Oder anders gefragt: Wie findet der Leser das passende Buch? Eines steht fest: in der Buchbubble jedenfalls nicht.

 

Die Konsequenz daraus muss jeder für sich ableiten. Ist ja trotzdem ganz nett in der Blase. Allein um zu sehen, was die Kollegen so treiben und für Erfahrungen mit der Buchbranche machen. Nur ein Marktplatz ist es nicht, auch wenn die Marketingberater etwas anderes behaupten.

 

Und - sorry! - Coaches für Buchmarketing, die weder eine eigene Website betreiben noch je ein Buch veröffentlich haben sind wie Hebammen, die selber niemals ein Kind geboren haben - reine Theoretiker.


Wer seinen Senf dazu abgeben möchte, darf das gerne tun. Ich bin gespannt!  >Kontakt

ABER: auf oberschlaue Kommentare wie:  Man muss halt nur wissen, wie man das Medium richtig bedient!  kann ich gut verzichten.