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Recherchereisen in Rumänien - Teil 6 (Bucuresti/Bukarest)

Bucuresti/Bukarest

Recherchereisen in Rumänien: Im Innehof des Klosters Stavropoleos in Bukarest

Was ich an der Hauptstadt Rumäniens so liebe:

  • die verwinkelten Gassen der Altstadt, in denen es so viel zu entdecken gibt
  • das viele Straßengrün und die großflächigen Parks
  • die prachtvollen Gebäude mit ihren vielfältigen Verzierungen
  • die Kontraste von alter und moderner Architektur
  • das aktive Nachtleben ohne Gedrängel und Gegröle
  • die vielen Kirchen, Museen und Gartenrestaurants
  • die zahlreichen Springbrunnen und Parkseen

Vor allem aber liebe ich Bukarest, weil sie ein wichtiger Handlungsort meiner Nicolae-Saga ist. Insofern treibe ich mich - auf den Spuren Nicolaes - besonders gern in der historischen Altstadt herum.

Das offizielle Wahrzeichen Bukarests: Parlamentspalast (Haus des Volkes)

Bei Paris fällt einem sofort der Eiffelturm oder der Arc de Triumph ein, bei London Big Ben und das Parlamentsgebäude - oder die roten Doppeldeckerbusse. Dafür hat die westliche Tourismus- und Werbeindustrie jahrzehntelang gesorgt. 

Die Wahrzeichen osteuropäischer Städte sind uns daher nicht so präsent, dennoch sind sie nicht weniger sehenswert. 

 

Bukarest tritt - der Mentalität der Rumänen entsprechend - still und bescheiden auf. Sie preist ihre Reize nicht marktschreierisch an. Man muss sie selber entdecken.

Dennoch werden die meisten als Wahrzeichen Bukarests höchstwahrscheinlich den Parlamentspalast (Haus des Volkes) nennen, das zweitgrößte Gebäude der Welt nach dem Pentagon, das der Gigantomanie des einstigen kommunistischen Diktators Ceausescus entsprungen ist.

Für das im wahrsten Sinne des Wortes gigantische Gebäude wurde ein ganzes Stadtviertel platt gemacht, sogar Kirchen wurden versetzt. Idyllische Gartenvillen, die einst den Stadtteil prägten, sind ihm zum Opfer gefallen. Die Wunde, die in das alte Bukarest geschlagen wurde, war riesig und hat ihren Charakter nachhaltig verändert.

Parlamentsgebäude (Haus des Volkes) in Bukarest

Doch heute ist der Parlamentspalast ein Hingucker; er ragt 86 Meter in die Höhe und 92 Meter in die Tiefe!

In ihm befinden sich:

  • 5.100 Räume - davon 3.000 Zimmer, 200 Toiletten, 30 Konferenzsäle sowie prunkvolle Hallen und Flure
  • 480 Kronleuchter sorgen für einen glanzvollen Auftritt der Räume

Die Innenausstattung ist vom Feinsten:

  • 1.000.000 Kubikmeter Marmor aus Transsilvanien wurde darin verbaut
  • 3.500 Tonnen Kristallglas für Kronleuchter, Spiegel und Deckenleuchten verwendet.

Dort sind die Abgeordnetenkammer, der Senat, ein internationales Konferenzzentrum und das Nationalmuseum für moderne Kunst untergebracht. Etliche Räume können gemietet werden.

 

Hier ein paar Innenansichten:

MEin persönliches Wahrzeichen Bukarests:  das Rumänische Athenäum

Doch mein persönliches Wahrzeichen Bukarests ist das Rumänische Athenäum - dieser klassizistische Bau, vor dessen Eingangssäulen der Nationaldichter Mihai Eminescu postiert ist. Obwohl dieser Posten vor dem Konzerthaus - Eminescu möge mir verzeihen! -  eher dem weltbekannten Komponisten und Violinisten George Enescu zugestanden hätte.

Das Athenäum in Bukarest

Warum ich das Athenäum so schätze? Weil es für mich auf ehrwürdige und elegante Weise die Geschichte und Besonderheiten Rumäniens ausdrückt. Vieles, was ich zum Thema Rumänien recherchiert habe, findet sich in diesem Gebäude wieder. 

  • Die klassischen Säulen symbolisieren für mich das antike Erbe Rumäniens.
  • Die Fürstengalerie im Säulengang mit ihren runden Mosaiken erinnert in ihrer Farbigkeit auf goldenem Hintergrund an die Ikonenkunst der rumänisch-orthodoxen Kirchen.
  • Das Harfensymbol in den Fenstern der Kuppel weist auf die Junimea hin, eine bedeutende literarische Gesellschaft im 19. Jahrhundert, welche Rumäniens Kultur maßgeblich formte und förderte und somit erstmals erweckte.
  • Der Nationaldichter Mihai Eminescu, der dem Vorübergehenden als Bronzestatue von seinem Podest aus anblickt, drückt in seinen Gedichten die rumänische Seele aus; sein ungewöhnlicher Werdegang, seine tiefen Einblicke in die Politik Rumäniens und sein tragisches Ende sind Thema in Band 6 der Nicolae-Saga.

In dem fast 800 Plätze umfassenden Konzertsaal sind unterhalb der Kuppel auf einem 75 Meter langen Fries die wichtigsten Szenen der rumänischen Geschichte dargestellt; von der Eroberung durch die Römer (106 n. Chr.) bis zu König Ferdinand I. (1927). So ist auch Fürst Vlad III. (Tepes) dort verewigt, der Bukarest 1459 zur weiteren Residenzstadt der Walachei ernannte.

 

Das Athenäum wurde, wie so viele Gebäude dieser Stadt, in der zweiten Hälfte des 19. Jhs. von einem französischen Architekten entworfen und durchlief mehrere Wandlungen, bis es sein heutiges Aussehen erhielt.

Auf den Straßen von Klein-Paris

Bukarests Stadtbild ist unübersehbar von französischer Architektur geprägt. Das hat der Stadt im 19. Jahrhundert den Namen "Klein-Paris" verliehen. Frankreich wurde Jahrhunderte lang als großes Vorbild angesehen.

Die gehobene Gesellschaft liebte alles Französische und ließ sich ihre Paläste, Häuser und Gärten entsprechend im französischen Stil bauen. Man findet oft diese kleinen geschwungenen schmiedeeisernen Balkone an den Häuserfronten, die kaum einem anderen Zweck dienen, als hübscher Zierrat zu sein.

 

Auch die Mode richtete sich nach dem, was seinerzeit in Paris angesagt war. Der europäische Adel sprach ohnehin Französisch. Doch auch auf den Boulevards hörte man immer mehr französische Wörter. Und so bürgerte sich bald "Merci" (Mersi geschrieben) statt des rumänischen "multumesc" (ich bedanke mich) bei den Bukarestern ein. 

Wer was auf sich hielt, ließ seine Söhne in Frankreich studieren. So kehrten etliche junge Männer mit republikanischen Ideen nach französischem Vorbild in ihre Heimat zurück.

 

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte sich auf einmal eine germanophile Gruppierung durch: die Junimisten. Das hat nichts mit dem Monat Juni zu tun, sondern mit dem Namen der einflussreichen literarischen Gesellschaft Junimea - das rumänische Wort für Jugend. Der Dichter Eminescu war einer ihrer wichtigsten Vertreter.

Da auch der rumänische König ein Deutschstämmiger war - König Carol I. stammt aus dem Hause Hohenzollern-Sigmaringen - wurden in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts die Söhne aus gutem Hause auf renommierte deutsche Universitäten geschickt.  Die Philosophien Kants und Schopenhauers gerieten zur Leitkultur. Und man nahm sich Bismarcks Deutsches Reich als Vorbild.

 

So spaltete sich die rumänische Politik in das frankophile und das germanophile Lager. Doch waren es Letztere, die sich des eigenen nationalen Bewusstseins entsannen und zum Beispiel die rumänische Bauweise wiederentdeckten. Darum können wir heute auch einige wunderschöne Gebäude im typisch rumänischen Baustil in Bukarest bewundern.

 

Doch die Spuren der Frankreichverliebtheit sind in der Stadt unverkennbar. Sogar einen kleinen Arc de Triumph (Arcul de Triumf) findet man dort, errichtet nach dem rumänischen Befreiungskrieg gegen die Osmanen (russisch-türkischen Krieg von 1877/78).

 

Und nun nehme ich Sie mit auf einen Altstadtbummel:

Aus Band 7 der Nicolae-Saga "An der Quelle":

 

(Bukarest in den 1890ern) 

Wir machen Spazierfahrten auf der Kiseleff. Wie verändert mir die Stadt plötzlich vorkommt. So vornehm, so mondän. In den letzten Jahren sind viele neue Gebäude entstanden, meist im französischen Stil. Schicke Hotels und Paläste sowie öffentliche Gebäude. Es lebt sich gut in Klein-Paris, wie es dieser Tage genannt wird. Seit unserer Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich haben wir sogar einen Triumphbogen, wenn auch bloß aus Holz. (Anm.: Später durch Stein ersetzt.)

 

Aber es werden auch Häuser im neo-rumänischen Stil gebaut, worauf Vitalie mich regelmäßig hinweist. Hier stehe Ost neben West, fügt er augenzwinkernd hinzu, während wir Hand in Hand in der offenen Kalesche die prächtigen Villen an uns vorüberziehen lassen. Zwischen all dem grünen Blattwerk erhascht man nur hier und da einen kurzen Blick, so dicht stehen die Kronen der Straßenbäume entlang der Chausseen. Dann kitzelt das Auge ein verspieltes Detail nach dem anderen aus Stuck, Schmiedeeisen oder buntem Glas. Es gibt wohl kaum eine Stadt, in der mehr antike Götter und Sagengestalten bemüht werden, verzierte Söller und Balkone zu tragen, prächtige Portale zu bewachen oder hinter Rundkuppeln versteckt die Wege der Menschen zu verfolgen. Während dort eine Putte mit Amors Pfeil auf einen Passanten zielt, grinst demselben die dämonische Fratze eines Satyrs vom gegenüberliegenden Erker hinterher. Die Leute ahnen nicht einmal, wer ihre Geschicke lenkt.

 

Gelegentlich führt uns unser Weg ins Café Capsa. Die Ananastörtchen dort sind ein Traum! Man trifft auf wichtige Männer aus Politik und Kultur, manchmal mitsamt ihrem schmückenden Beiwerk, zu dem auch ich mich jetzt zählen darf. 

 

Seltsam, dass es mir gar nichts ausmacht. An seiner Seite zu sein ist mehr als genug. Es ist eine Ehre, die ich endlich zu schätzen weiß. 

Zuweilen habe ich Angst. Angst vor dem Erwachen. 

...

Der Alte Fürstenhof mit Hofkirche

Mitten im historischen Stadtkern - im so genannten Lipscani-Viertel (einst Viertel der Leipziger Händler) - befindet sich der Alte Fürstenhof Curtea Veche. Er wurde von Fürst Vlad III. Tepes gegründet. 1459 hat dieser - wie weiter oben bereits erwähnt - Bukarest zur weiteren Residenzstadt erklärt (Hauptstadt der Walachei mit dortigem Fürstenhof war damals Targoviste). Darum stehen überall an wichtigen Plätzen der Stadt verteilt, diese hübschen - natürlich französisch anmutenden - Uhren, die im Ziffernblatt die Jahreszahl der Gründung in goldenen Lettern tragen. 

 

Als wir das erste Mal Bukarest besuchten, hatte man gerade das Kellergewölbe des Alten Fürstenhofes saniert und zur Besichtigung freigegeben. Oberhalb waren nur ein paar Mauerreste und zerbrochene Säulen zu sehen und mittig, auf einem Sockel postiert, die Büste von Vlad III. 

2019 war sie verhüllt und der gesamte Komplex eine einzige Baustelle. Der Alte Fürstenhof sollte grundlegend saniert und mit einem modernen Konzept versehen werden, wie die Plakate am Bauzaun versprachen.

Bei unserem letzten Besuch 2023 waren die Bauarbeiten leider noch nicht abgeschlossen. Ich hoffe sehr, beim nächsten Mal Vlad IIl. wieder begrüßen zu können.

 

Direkt neben dem Alten Fürstenhof befindet sich die älteste Kirche der Stadt, die Biserica Curtea Veche. Die 480 Jahre sieht man ihr nicht an. Doch ist sie einer wechselhaften Geschichte unterlaufen. In ihr wurden bis 1842 alle Fürsten der Walachei geweiht. 

 

Die Ruinen des Alten Fürstenhofes und die nebenstehende Kirche spielen in Band 7 der Nicolae-Saga eine besondere Rolle. Nicht umsonst trägt dieser Band den Titel "An der Quelle".

Oase im Lipscani-Viertel: Kloster Stavropoleos

Einer meiner Lieblingsorte in Bukarest ist das Kloster Stavropoleos. Eben noch mitten im Getümmel der Altstadtgassen, umgibt einen schlagartig Ruhe und Frieden beim Betreten der Klosterkirche oder des Atriums mit seiner wunderschönen Steinkunstsammlung. Es ist ein Refugium, in dem man sich sammeln und erholen kann.

 

Was mich besonders begeistert, ist der rumänische (brancoveneske) Baustil: diese spiralförmig gedrehten und reich verzierten Säulen vor dem Kirchenportal; die üppigen Steinmetzarbeiten an Fensterumrandungen, Balustraden und Säulenabschlüssen, die mit ihrem Blätter- und Blütendekor allesamt der Natur abgeschaut sind. Nicht umsonst gilt das Kloster als eines der bedeutendsten Architekturdenkmäler der Hauptstadt.

 

Ein lichter efeuberankter Arkadengang umläuft den Innenhof mit seinen runden Bögen, die zum Ende hin dann doch noch spitz zulaufen - eine Mischung aus byzantinischer und venezianischer Architektur. Das ist der typisch rumänische Baustil, den der walachische Fürst Brancoveanu im 17./18. Jh. erschaffen hat: Eine harmonische Vereinigung von Abend- und Morgenland, kombiniert mit märchenhafter Naturverbundenheit – also all das, was Rumänien ausmacht. 

Im Innenhof befindet sich ein Lapidarium - eine Steinsammlung von Grabplatten, Skulpturen und mehr. Auch sie sind reich an typisch brancovenesken Stilmitteln. Dieser Ort strahlt so viel Ästhetik und Harmonie aus, so viel Ruhe und Frieden, dass man ewig dort verweilen möchte. Eine Oase für die Sinne.

 

Wenn dann noch eine der fünf Nonnen, die dort leben, mit ihrem Schlagbrett (toaca) zum Gebet ruft, kann man die dort herrschende mystische und heilige Atmosphäre fast greifen. Ein Gottesdienst mit seinen orthodoxen Gesängen ist wie das Eintauchen in eine andere Welt von jetzt auf gleich. Unbeschreiblich. Man muss es erlebt haben.

 

Mehr über den Brancoveanu-Stil erfahren Sie in meinem Beitrag zum Rumänienadventskalender:

Der Brancoveanu-Stil

 

Wer nach Rumänien reist, kommt um ihn nicht herum: Selbst wer sich nicht für Architektur oder Kunstgeschichte interessiert, wird im Laufe seines Aufenthaltes irgendwann verzückt vor einer dieser spiralförmig  und mit gemeißelten Blütenranken verzierten Säulen ... (weiter)

 

Rumänienadventskalender 2014


Oase an der Kiseleff: Dorfmuseum

Eine weitere Oase befindet sich auf 14 ha direkt zwischen Herestrau-Park mit seinem riesigen Stadtsee und der prunkvollen Kiseleff-Chaussee. Bauernhäuser aus allen Regionen des Landes wurden abgebaut und hier originalgetreu wieder aufgebaut. Und das seit 1936. Inzwischen sollen es über 360 Gebäude sein, die dort zu besichtigen sind.

 

Ein wunderbar grünes mit alten schattenden Bäumen und dem nahen Parksee versehenes Gelände, auf dem man die typischen Bauweisen der unterschiedlichen Regionen erkunden kann.  Es gibt ein schönes Gartenrestaurant mit traditionellen Gerichten und jede Menge Bänke zum Ausruhen. 

 

Kaum betritt man das Gelände, lässt man die Stadt hinter sich und taucht in das ländliche Leben Rumäniens ein.

Besonders habe ich mich gefreut, hier die "ausgestorbenen" Erdhäuser zu finden, die in Oltenia (kleine Walachei) damals zu finden waren. Diese habe ich in Band 4 der Nicolae-Saga beschrieben, als Nicolae auf seiner Wanderschaft durch Oltenia kam und eine Zeit lang auf einem Obsthof als Pflücker gearbeitet hat. Nun konnte ich sie selbst in Augenschein nehmen. 

 

Und jetzt entführe ich Sie kurz mal nach Oltenia:

Ein Ausflug nach Oltenia

Aus Band 4 der Nicolae-Saga "Abseits der Pfade":

 

In den Ausläufern der Südkarpaten schlängelte sich der Olt um bewaldete Hügel und Schluchten, vorbei an Obstplantagen und Weinbergen, zwischen denen sich kleine Kirchen und Einsiedeleien verbargen. Gartenklöster und von wildem Wein überwucherte Häuser luden zur Beschaulichkeit ein.

Nicolae ließ Frate in einen langsamen Trab fallen. Immer wieder machte er Halt, um die friedliche Stimmung einzufangen, die vom Ruf der Wasseramsel und Goldammer bereichert wurde. Im Rücken wusste er die fernliegenden Gipfel der Südkarpaten, die seine Heimat gewesen waren, doch er schaute sich kein einziges Mal nach ihnen um. Nur vorwärts wollte er schauen, auf die vor ihm liegenden kleinen Dörfer, deren aus Holz gefertigte Häuser reichlich Schnitzwerk an Türen, Fenstern und Giebeln aufwiesen. Allerlei Vieh tummelte sich auf den umliegenden Weiden und tat sich am letzten Grün gütlich, das in windgeschützten Mulden hier und dort noch üppig wuchs. In den Weinbergen krabbelten die Menschen wie Ameisen umher, die Kiepen schwer beladen mit prallen Trauben. Frauen mit geschürzten Röcken zerstampften die reifen Beeren in großen Fässern. Die Winzer konservierten die Fülle des Sommers. Nicolae sah manch gefülltes Weinfass ins Innere der Berge rollen, wo es kühl und den Winter über vor Frost geschützt gelagert wurde.

  

Nachdem er das Floß verlassen hatte, mit dem er sich für eine Silbermünze über den Olt hatte setzen lassen, stieß er kurze Zeit später auf eine Ansiedlung niedriger Strohdachhäuser. Sie schauten höchstens einen Meter aus dem Boden heraus und sahen von Ferne aus, als wären sie für Zwerge gebaut. Erst bei genauerem Hinsehen entdeckte er, dass sie tief ins Erdreich gebaut waren.  

»Du kommst wohl nicht von hier?«, hörte er einen etwa achtjährigen Knirps fragen, der neugierig zu ihm hochblinzelte, während er sich am Wegesrand sitzend zwischen den Zehen pulte. 

»Sieht man mir das an?« Freundlich blickte Nicolae ihn an. 

»Mmh... Du guckst so komisch.« 

»Weil ich noch nie zuvor so kleine Häuser gesehen habe. Wohnen hier denn nur Kinder? Bin ich gar im Kinderland?« 

Der Gedanke schien dem Kleinen zu gefallen. »Aber nein!«, kicherte er. »Obwohl wir Kinder in meiner Familie in der Überzahl sind, sagt Großmutter und seufzt dabei immer schwer.« 

»Wie viele seid ihr denn?« 

»Vierzehn. Ich habe sieben Brüder und sieben Schwestern.« 

»Das sind mit dir aber fünfzehn!« 

»Delia zählt nicht. Die trinkt noch aus Mamas Brust. Großmutter zählt nur die Esser am Tisch.«

»Passt ihr denn überhaupt alle an einen Tisch?« 

»Wir essen nacheinander. Die Großen zuerst.« 

»Und du? Gehörst du schon zu den Großen, oder musst du essen, was übrig bleibt?«  

»Ich bin die Mitte. Ich darf’s mir aussuchen«, antwortete der Kleine grinsend und ließ eine frische Zahnlücke sehen.  

»Wohnt ihr auch in einem dieser kleinen Häuser?«  

»Es sind keine kleinen Häuser. Sie sind genauso groß wie alle anderen, nur dass sie eingebuddelt wurden, damit es im Sommer schön kühl darinnen bleibt und im Winter nicht so kalt wird. Die Erde schützt uns, sagt Großvater.«  

»Das ist aber ganz schön schlau von euch.«  

»Ja, das sind wir auch, denn wir sind Oltenier. Papa sagt, Oltenier sind schlaue Leute, und ich bin auch einer.«  

»Wie ist dein Name, schlauer Oltenier?«  

»Călin. Und deiner?«  

...

Mit diesem Ausflug ins schöne Oltenia endet der heutige Hauptstadtbesuch. Auf einer meiner späteren Recherchereisen habe ich die Region, in der Nicolae Arbeit auf Calins Obsthof gefunden hat, näher kennengelernt - und werde sie Ihnen demnächst bildhaft vorstellen. Ich habe den Landstrich genauso vorgefunden, wie ich ihn mir beim Schreiben vorgestellt hatte. Das war ein wahrer Gänsehaut-Moment, den ich gerne mit Ihnen teilen möchte. 

Demnächst in dieser Reihe:

Im nächsten Blogbeitrag aus der Reihe "Recherchereisen in Rumänien" erzähle ich Ihnen von einer Tour Richtung Osten in die ehemalige Hauptstadt der Moldau - nach Iasi. Bukarest - Iasi und zurück lautet der Titel.

Doch abgesehen von der sehenswerten Stadt Iasi erwarteten uns auf dem Weg dorthin neben einem legendären Gasthaus und bedeutenden Palästen spektakuläre Naturwunder wie die Schlammvulkane von Berca.


Lesen Sie aus dieser Blogserie auch:

> Recherchereisen in Rumänien - Teil 1 (Donau-Kreuzfahrt): Von der Cazanenge bis zum Donaudelta

> Recherchereisen in Rumänien - Teil 2 (Kultur- und Wanderrundreise): "Karpaten, Klöster und Kirchenburgen"

> Recherchereisen in Rumänien - Teil 3/1 (Studienrundreise): "Ausführlich durch das Land der Vielfalt"

> Recherchereisen in Rumänien - Teil 3/2 (Studienrundreise): "Ausführlich durch das Land der Vielfalt"

> Recherchereisen in Rumänien - Teil 4/1 (Manors & Wines): "Herrenhäuser und Weine der Walachei"

Recherchereisen in Rumänien - Teil 4/2 (Manors & Wines): "Herrenhäuser und Weine der Walachei"

> Recherchereisen in Rumänien - Teil 5/1 (Wundertüte RO): Wundertüte Rumänien

> Recherchereisen in Rumänien - Teil 5/2 (Wundertüte RO): Wundertüte Rumänien

> Recherchereisen in Rumänien - Teil 5/3 (Wundertüte RO): Wundertüte Rumänien