Wundertüte Rumänien - Teil 3

Im dritten Teil der "Wundertüte Rumänien" zeige ich Ihnen all das, was in Teil 1 und 2 keinen Platz mehr gefunden hat.
Als da wären:
- Der Skulpturenpark in Targu Jiu mit der berühmten unendlichen Säule und dem Tor des Kusses von C. Brancusi
- Eine der schönsten mittelalterlichen Burgen Europas, die Ritterburg Hunedoara, auch Burg Corvin genannt
- Die geschichtsträchtige Krönungsstadt Alba Iulia, deutsch: Weißenburg, die heute sehr römisch anmutet
- Das siebenbürgische Vorzeigedorf Viscri/Deutsch-Weisskirch, wo der englische König Charles III. ein Haus besitzt
- Die Übernachtung in einem wunderschönen Herrenhaus in Malancrav, wo bereits Sarah Wiener gekocht hat
Skulpturenpark Targu Jui
Die Stadt Targu Jiu in der kleinen Walachei (Oltenia) ist bekannt für ihren Skulpturenpark, in dem drei berühmte Werke des Bildhauers Constantin Brancusi ausgestellt sind. Wie so viele rumänische Künstler gelangte er in Paris zu Ruhm. Er war mit namhaften Künstlern wie Henri Matisse und Henri Rousseau befreundet.
Sein weltberühmtes Skulpturenensemble - die unendliche Säule, das Tor des Kusses und der Tisch des Schweigens - stellen eine Hommage an die rumänischen Soldaten dar, die im Ersten Weltkrieg am Ufer des Jiu fielen.
Die Objekte sind auf der Ost-West-Achse des Parks auf einer Geraden von 1,3 km ausgestellt.
Erschaffen wurden sie in den 30er Jahren des 20. Jhs. und 1938 eingeweiht.
Die unendliche Säule ist die markanteste der drei Skulpturen, ragt sie doch fast 30 Meter in den Himmel. Seit Juli 2024 gehört sie zum UNESCO Welterbe. Ursprünglich hatte sie den Titel Die Säule endloser Dankbarkeit.
Die aus 15 bronze-ummantelten Eisenmodulen bestehende Säule schimmert je nach Lichtverhältnissen zwischen matt und glänzend. Doch die beeindruckende Wirkung dieser Skulptur lässt sich fotografisch kaum darstellen, man muss selbst davor gestanden und an der unendlichen Säule entlang zum Himmel empor geschaut haben.
Unter dem Tor des Kusses lassen sich, wie sich denken lässt, oft Paare fotografieren. Es soll den Übergang in ein anderes Leben darstellen.
Am Tisch des Schweigens, der von 12 sanduhrförmigen Hockern umgeben ist, darf man jedoch nicht Platz nehmen. Es ist eben ein Kunstwerk. Parkwächter achten darauf, dass niemand zu nahe kommt und die Kunstwerke entweiht. Entsprechend geht von den Skulpturen eine ehrwürdige Atmosphäre aus.
Geht man ein Stück am Jiu entlang, kommt man in einen anderen Bereich des Parks, in dem zeitgenössische Skulpturen teilweise sehr origineller Art ausgestellt sind. Auch diese lohnen sich anzuschauen.
Burg Hunedoara (Schloss Corvin)

Ich hatte schon viele Fotos von ihr gesehen, dieser wie aus einem Märchenbuch geschnittene Ritterburg in Hundedoara (Transsilvanien/Siebenbürgen). Aber dann plötzlich vor ihr zu stehen, war geradezu atemberaubend. Völlig klar, dass sie des Öfteren als Filmkulisse herhalten muss. Nicht umsonst zählt sie zu einer der schönsten mittelalterlichen Felsburgen Europas.
Sie war das Stammhaus der Hunyadis, einer ungarischen Adelsfamilie. Nicht nur Johann Hunyadi, auch dessen Sohn Matthias Corvinus erlangte im 15. Jahrhundert einige Berühmtheit. Obwohl Matthias ebenfalls ein Hunyadi ist, nannte er sich Corvinus, abgeleitet vom lateinischen Namen des Raben: Corvus, den das Familienwappen zierte. Daher wird die Burg auch oft Schloss Corvin genannt.
Und wieder bin ich auf den Spuren des Fürsten der Walachei Vlad III. (Tepes, der Pfähler) unterwegs. Denn Matthias Corvinus lebte zeitgleich mit ihm, war ursprünglich sein Verbündeter und bot ihm Schutz auf seiner Bug nach dessen Kreuzzug gegen die Türken.
Doch später machte er diesem das Leben schwer. Politische Intrigen und Verrat machten aus den einstigen Freunden Feinde. Die ganze verzwickte Geschichte ist nachzulesen in der Nicolae-Saga; aus rumänischer Sicht, versteht sich, denn die ungarische hat zur Genüge - wenn nicht sogar als einzige - Einzug in die Annalen und Geschichtsbücher gehalten.
Wir kommen erst am Spätnachmittag in Hunedoara an, da sind die meisten Besucher bereits am Gehen und wir haben die Burg zum Ende hin fast für uns allein. Die dicken Mauern erzählen die Geschichten und Legenden von Jahrhunderten. Eine dieser Legenden handelt von dem Ziehbrunnen auf der Burg und ist in meinem unten eingefügten Reisebericht nachzulesen.
KRönungsstadt Alba Iulia - Weissenburg
Mehr rumänische und europäische Geschichte auf einem Haufen geht nicht. Zumal - als wir 2018 dort sind - Rumänien 100 Jahre Vereinigung mit Transsilvanien, dem Banat und weiteren Teilen des Landes feiert. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und dem Zerfall der Donaumonarchie - 1918 - wurde genau hier, in Alba Iulia, Großrumänien gegründet, das somit weite Teile der ursprünglich dakischen Gebiete zugesprochen bekam.
1922 fand dort die Krönung von Ferdinand I. und Maria von Rumänien (Nachfolger von Carol I. und Elisabeth) statt, zu deren Ehren die rumänisch-orthodoxe Kathedrale erbaut wurde.
Die Stadt hat eine laaange und sehr wechselhafte Geschichte. Hier ein Schnelldurchlauf:
Einst gehörte sie zu Dakien (Sie wissen schon, König der Daker war Decebal, der in Europas größter Felsskulptur an der Donau verewigt ist), bis die Römer 107 nach Chr. dort ihr Verwaltungszentrum errichteten. Daran erinnert noch heute die römische Architektur sowie mancher Zenturio aus Bronze.
Zu Zeiten der Völkerwanderung wurde sie mal von den einen, mal von den anderen vereinnahmt, bis im 9. Jh. die Ungarn die Herrschaft übernahmen.
Später wurde sie unter der Vorherrschaft der Osmanen zur Hauptstadt des Fürstentums Siebenbürgen ernannt bis Michael der Tapfere aus der Walachei sie Ende 16./Anfang 17. Jh. besetzte. Er war der Erste, dem es gelungen war, die Walachei mit Siebenbürgen und der Moldau zu vereinigen, wenn auch nur für 4 Monate. Darum wird er als Nationalheld verehrt. Ein Reiterdenkmal von ihm steht auf dem zentralen Platz Alba Iulias.
In der 2. Hälfte des 17. Jhs. begann die Habsburger Zeit (Österreich) bis zum Beginn der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn im Jahre 1867.
Seit dem Zerfall der Monarchien 1918 gehört sie den Nachkommen der Daker, also den Rumänen, wie Michael der Tapfere es bereits gewollt hatte.
Dies ist natürlich eine grob vereinfachte Darstellung der wechselhaften Geschichte dieser Stadt. Manche Historiker sind bei diesem Thema etwas empfindlich. Nach dem Sturz des rumänischen kommunistischen Diktators Ceausescu 1989 hätte nämlich nicht viel gefehlt und Alba Iulia wäre wieder ungarisch geworden. Da möge sich jeder sein Teil denken.
Vorzeigedorf Viscri/Deutsch-Weisskirch

Gerade haben Sie gelesen, dass Alba Iulia eine Zeit lang die Hauptstadt des Fürstentums Siebenbürgen war. Daran anknüpfend schlage ich jetzt den Bogen in ländliche Regionen und führe Sie in das siebenbürgische Dorf Viscri. Wir hatten es kurz vor unserer Mountainbike-Tour in Bunesti (siehe Teil 2 dieser Serie) besichtigt und dort auch übernachtet.
In dieses Dorf wurde fleißig investiert und jede Menge auf Vordermann gebracht, nicht zuletzt durch die Londoner Mihai-Eminescu-Stiftung und ihrem prominenten Unterstützer König Charles III., der sich hier vor Jahren ein Domizil kaufte.
Als wir am Abend die Dorfstraße entlangflanieren hält ein Leihwagen aus Bukarest neben uns, darin zwei junge türkische Frauen, die uns fragten, welches das Haus von - damals noch - Prinz Charles sei. So sehr zieht ein prominenter Name!
Aber eigentlich ist die Kirchenburg von Viscri die Attraktion - siehe Foto oben. Sie ist eine der kleinsten Kirchenburgen und wurde niemals von Feinden belagert. Anscheinend lag das Dorf zu sehr im Abseits. 1999 wurde die Kirchenburg zusammen mit dem traditionellen sächsischen Dorfkern in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen.
Was uns sehr beeindruckt hat, waren die strengen Vorgaben, wie die Häuser instand gehalten werden müssen, um ihren ursprünglichen Charakter zu behalten. Dächer, Fenster und Türen dürfen nur aus bestimmten Materialien sein: keine lasierten Dachziegel, wie sie gerade in Rumänien an neu erbauten Häusern modern sind, die Hauswand nicht in knalligen, sondern pastelligen Tönen verputzt, die Tore und Zäune aus Holz und nicht aus Metall.
Es sind die vielen kleinen dekorativen Details an den Häusern, die dieses Dorf so liebenswert machen. Da geraten selbst Fenster und Tore zum Hingucker. Ansonsten geht es sehr beschaulich zu an diesem Abend, an dem wir eintreffen. Gerade kommen die Kühe von der Weide zurück und finden von selbst ihren heimatlichen Stall. - Idylle pur? Das täuscht.
Die Atmosphäre in diesem siebenbürgischen Dorf wirkte auf mich nicht authentisch. Das Problem: Viscri ist ein Touristenmagnet geworden. Und die viele Aufmerksamkeit tut den Dorfbewohnern offensichtlich nicht gut.
Wir haben die Dorfstraße zwar relativ leer erlebt und schienen bis auf wenige Ausnahmen die einzigen Touristen dort zu sein, aber trotzdem fühlten wir uns nicht gerade willkommen.
Viscri wirkte auf mich wie ein bewohntes Museumdorf, in dem die Touris den täglichen Ablauf der Bewohner stören. Ich aber will nicht stören. Insofern würde ich von einem nochmaligen Besuch absehen.
Conacul Apafi

Was kann man über dieses Herrenhaus erzählen?
- Es steht im siebenbürgischen Dorf Malancrav/Malmkrog und gehörte der Familie Apafi.
- Die Apafis waren eine siebenbürgische Adelsfamilie, Mihai Apafi I. (1632 bis 1690) Fürst von Siebenbürgen.
- Ihr Palast wurde im 17./18. Jh. im Barock-Stil umgebaut.
- Die Familie starb aus und das Haus wurde 1775 einem Verwandten des Wiener Hofes übergeben.
- In der kommunistischen Zeit verfiel das Gebäude.
- Heute gehört es zum Mihai Eminescu Trust, deren Schirmherr der englische König Charles III. ist.
- Es wurde aufwendig renoviert und liebevoll ausgestattet.
Und warum erzähle ich das alles? Weil wir in ebendiesem Herrenhaus eine Nacht verbringen durften!
Beim Eingang nahm uns ein junger Mann das Gepäck ab. Später kam seine Mutter, um für uns zu kochen. Wir durften uns eines der vielen großzügig bemessenen Schlafzimmer aussuchen und hatten das ganze Herrenhaus für uns allein.
Tagelang hätte ich in dieser wundervollen Bibliothek mit Lesen und Schreiben verbringen mögen, nur unterbrochen von Spaziergängen in der weitläufigen Gartenanlage. Diese dort herrschende Ruhe war einfach unfassbar!
Unsere "Kochfrau" Regina hat uns kulinarisch verwöhnt mit typisch siebenbürgischen Gerichten. Sie erzählte uns, wie viel Prominenz dieses 2007 neu eröffnete Herrenhaus bereits begrüßen durfte.
Als sie hörte, dass wir auf einer unserer früheren Reisen Herrn Schaas aus Richis/Reichesdorf kennengelernt hatten (siehe Recherchereisen in Rumänien - Teil 2), brachte sie mir ein Buch, in dem all seine Erinnerungen an das frühere Leben dort festgehalten waren mit vielen Fotos und Anekdoten. Darüber habe ich mich riesig gefreut. Und so hat sie ein Exemplar für mich organisiert - von einem Tag zum nächsten!
Zum Schluss bekam ich von ihr noch das Rezept für einen Hanklich - ein siebenbürgischer Kuchen, den Regina mit Grieß und Schmand zubereitet hatte: köstlich!
Das Dorf selbst wirkte sehr heimelig und beschaulich - ein Ort zum Wohlfühlen und Dableiben wollen.
Schlusswort und Reisebericht
Und hiermit schließe ich die "Wundertüte Rumänien", in der sich natürlich noch so viel mehr befindet. Gerade die vielen Eindrücke zwischen den einzelnen Stationen, die Fahrten durch die unterschiedlichen Regionen und wundervollen Landschaften machen den Reiz des Karpatenlandes aus.
In den zwei Wochen haben wir so viel gesehen, als hätten wir zwei Monate dort verbracht. Auch in der Rückschau, mag ich kaum glauben, was wir alles in so kurzer Zeit erlebt haben. Die Eindrücke sind immer noch präsent, als wären wir erst vor ein paar Wochen dort gewesen und nicht vor sieben Jahren!
Viele unvergessliche Höhepunkte haben wir unserem Organisationstalent Alina Baidoc zu verdanken, die es immer wieder versteht, uns mit außergewöhnlichen Dingen zu überraschen. Manches ist wohl nur in Rumänien möglich.
Die gesamte Tour in chronologischer Reihenfolge können Sie in meinem bebilderten Reisebericht nachlesen.
Lesen Sie aus dieser Blogserie auch:
> Recherchereisen in Rumänien - Teil 1 (Donau-Kreuzfahrt): Von der Cazanenge bis zum Donaudelta
> Recherchereisen in Rumänien - Teil 2 (Kultur- und Wanderrundreise): "Karpaten, Klöster und Kirchenburgen"
> Recherchereisen in Rumänien - Teil 3/1 (Studienrundreise): "Ausführlich durch das Land der Vielfalt"
> Recherchereisen in Rumänien - Teil 3/2 (Studienrundreise): "Ausführlich durch das Land der Vielfalt"
> Recherchereisen in Rumänien - Teil 4/1 (Manors & Wines): "Herrenhäuser und Weine der Walachei"
> Recherchereisen in Rumänien - Teil 4/2 (Manors & Wines): "Herrenhäuser und Weine der Walachei"
> Recherchereisen in Rumänien - Teil 5/1 (Wundertüte RO): Wundertüte Rumänien
> Recherchereisen in Rumänien - Teil 5/2 (Wundertüte RO): Wundertüte Rumänien