Wundertüte Rumänien - Teil 2

Es wäre keine Wundertüte, wenn wir neben dem Aufsuchen von Schauplätzen oder der Spurensuche historischer Persönlichkeiten aus meiner Nicolae-Saga das Land nicht ganzheitlich bereist hätten. Es hat so unendlich viel zu bieten.
So durften wir es auch noch aus der Höhe und in der Tiefe betrachten, waren per Drahtesel und per Stahlross unterwegs. Und auf Schusters Rappen haben wir märchenhafte Waldseen und Wasserfälle aufgesucht, haben einen schlafenden Riesen entdeckt und sind über sieben Leitern hoch hinaus geklettert.
Im zweiten Teil der Wundertüte Rumänien gibt es also viel zauberhafte Natur zu sehen.
RO in der Höhe - Lac Balea
Dies war eines der großen Überraschungen, denn die Fahrt auf 2034 Meter Höhe zum Gletschersee Balea stand nicht im Programm. Es war dem Zufall geschuldet, dass wir dieses einmalige Erlebnis machen durften.
Wir hatten die Nacht zuvor im Ferienresort Albota verbracht; dieses liegt mitsamt einer großen Forellenfarm im Naturschutzgebiet Arpasel am Fuße der Karpaten. Hier kamen wir nicht nur in den Genuss köstlicher Fischgerichte, sondern auch einer märchenhaften Berglandschaft, die uns umschloss. Auch die Rumänen wissen ihre Natur zu schätzen und so war das Hotel am Wochenende von vielen Familien gut besucht. Trotzdem herrschten hier Ruhe und ein erholsamer Frieden. Ein Paradies für Angler und Fischliebhaber ist dieser besondere Ort.
Als wir anderntags unsere Tour fortsetzen, sehen wir, dass die Kabinenbahn zum Lac Balea in Betrieb ist. Sofort macht Gabriel kehrt und fährt zur Talstation. Wir haben zwar keine warmen Sachen dabei - oben liegt immerhin noch alles im Schnee versunken -, aber das wollen wir uns nicht entgehen lassen.
Schon die Fahrt hinauf zum Lac Balea (Balea See) ist ein Erlebnis. Denn wir überfliegen die teilweise zugeschneite und daher noch nicht geöffnete Transfagarasan - die des Öfteren schon erwähnte Alpinenstraße, die Transsilvanien mit der Walachei verbindet. Was für ein Anblick! Wie schön man sehen kann, wie sie sich in Serpentinen hinaufschlängelt.
Oben angekommen stehen noch Reste des Eishotels, das jedes Jahr neu erbaut wird. Und dann stehen wir unmittelbar unterhalb des höchsten Gipfels der Südkarpaten - dem Moldoveanu (2544m). Auch das ist ein faszinierender Anblick.
Immer wieder schauen aus dem Schnee Dächer der Hütten und Buden entlang der Passstraße. Wir wähnen uns auf dem Dach der Welt. Hier herrscht normalerweise ein reger Tourismus, doch an diesem Vormittag haben wir die Bergwelt fast für uns allein. Und das Beste: es ist wider Erwarten gar nicht kalt! Die vielen Jacken, die wir provisorisch übereinander gezogen haben, sind uns viel zu warm. Der Frühling hält auch in dieser Höhe bereits Einzug.
RO in der Tiefe - Salina Turda
Der Besuch einer Saline ist ja immer etwas Besonderes. Aber diese - im Kreis Cluj, Nordwesten Rumäniens - ist wirklich sensationell. Ein einziges Kunstwerk, möchte ich sagen. Sie gilt mit ihren bis zu 112 Metern Tiefe als tiefster Freizeitpark der Welt. Und was es dort alles gibt! Ein Riesenrad, ein Konzertsaal, ein Salzsee mit Ruderbooten, Minigolf und Tischtennis uvm.
Aber die eigentliche Attraktion sind die marmorierten Felswände und kristallisierten Hallengewölbe. Originelle Lichtinstallationen heben diese auf spektakuläre Weise hervor.
1932 wurde das Salzbergwerk, deren Nutzung bis zu den Dakern zurückgehen soll, geschlossen und 1992 als Schaubergwerk wiedereröffnet.
Außerdem werden die Salzkammern für Patienten mit Atemwegs- und Hauterkrankungen genutzt. Und auch mir hat die salzhaltige Luft bzw. der andere Luftdruck, der tief unter der Erde herrscht, geholfen und meine beginnende Migräne im Keim erstickt. Würde ich in der Nähe wohnen, hätte ich eine Dauerkarte!
Und jetzt lasse ich Bilder sprechen ...
Mit dem Fahrrad von Dorf zu Dorf
In Bunesti (Kreis Brasov) befindet sich ein Fahrradverleih, der sehr zu empfehlenden ist: der Bike Check Inn. Hier kann man auch ganz komfortabel in lichtdurchfluteten und liebevoll eingerichteten Zimmern übernachten und bei einem Glas selbstgemachter Holunderlimonade die Blicke über den Natur-Garten schweifen lassen. Fast fällt es uns ein bisschen schwer, uns von der lauschigen Terrasse zu erheben, aber wir haben ja noch was vor.
Nach einer kurzen Einweisung in die Mountain-Bikes geht es direkt hinein in die abenteuerliche Wildnis. Schmale Pfade führen über Stock und Stein steil bergan und bergab. Das erfordert einige Konzentration und so manches Mal habe ich das Rad bei gar zu holprigen Gefälle und schmalen Spuren zwischen hohen Grasnarben lieber geschoben.
Als wir die Dorfstraße nach Mesendorf erreichen - schön glatt und wie frisch geteert (jedenfalls kam es mir nach der Off-Road-Strecke so vor) - atme ich auf und trete fröhlich in die Pedale. Jetzt kann auch ich die gemächlich vorbeiziehende Bilderbuchlandschaft genießen, während unsere die Herausforderung liebende Alina genau diese Etappe langweilig findet. Tja, so bekommt jeder mal das Seine.
Das Wetter hätte nicht besser sein können für diese herrliche - übrigens geführte (!) - Radtour. Sorin erzählt uns die Geschichte des Dorfes. Wie die Häuser nach dem Exodus der Siebenbürger Sachsen Jahrzehnte lang leer standen und verfielen, da die einstigen Besitzer nichts über sie verfügt hatten. Damit sind dem rumänischen Staat die Hände gebunden. Zum Glück wurden die Häuser, wo eine Verfügung vorlag, inzwischen restauriert und sind wieder bewohnt. Immer mehr Städter schaffen sich hier auf dem Lande ein weiteres Domizil. Und auch von den Siebenbürger Sachsen kehrt der eine oder andere mittlerweile wieder zurück. So erleben wir Mesendorf als beschauliches aber lebendiges Idyll.
Mit der Gebirgsbahn von Oravita bis Anina
Die über 33 Kilometer lange Strecke durchs Anina-Gebirge (im Süden des Banats) ist ein ganz besonderes Erlebnis. Sie führt über 14 Tunnel, 10 Viadukte und 134 ziemlich enge Kurven.
Man fühlt sich um 150 Jahre in die Vergangenheit zurückversetzt. Das fängt schon mit dem entzückenden Bahnhofsgebäude an, zu dem - wie es früher üblich war - Wartebänke, ein Bollerofen und ein Fahrkartenschalter gehören.
Wir steigen über die Gleise und gehen zu unserem wartenden Zug. Ein echter Schaffner mit Kelle und Trillerpfeife ruft die Abfahrt aus. Dann nehmen wir auf Holzbänken Platz, wie ich sie noch aus meiner frühen Kindheit kenne.
Ein Fahrkartenschaffner verkauft während der Fahrt Fahrscheine - aus Papier mit Durchschlag und gestempelt. Ordnung muss sein.
Aber das Beste: dieses Geruckel und Geschaukel, Gequietsche und Gerumpel. Stockdunkle Tunnel in raue Felsen gehauen, kein Licht, das automatisch angeht. Ist vielleicht besser, denn zwischen Felswand und Zug passt höchstens eine Hand.
Kaum aus der Finsternis hinaus, kratzen und peitschen auch schon wieder Zweige gegen die Scheiben, denn die Vegetation scheint hier alles verschlingen zu wollen.
Plötzlich wird der Zug immer langsamer. Na? Ob er die Steigung wohl noch schafft? Er schnauft und ächzt gewaltig.
Aber ja. Es ist bloß eine Halte, die da kommt und an der jemand auf freier Strecke zusteigen möchte. Wo gibt es denn so was? Vor allem: wo kommt der Mensch bloß her? Keine Zivilisation denkbar weit und breit.
Wir erfahren, dass die Strecke 1863 in Betrieb genommen wurde und immer noch täglich Leute mit der Gebirgsbahn fahren. Nein, nicht nur Touristen, sondern Bewohner dieser Region. Ob die unser Entzücken über so viel Eisenbahnnostalgie überhaupt verstehen können? Wir jedenfalls genießen diese Fahrt wie anno dazumal in vollen Zügen.
Auf Schusters Rappen in den Cheile nerei
Im Anina-Gebirge befindet sich auch der Nationalpark Cheile Nerei-Beusnita. Er gehört zum Weltnaturerbe Buchenwälder. Dorthin begeben wir uns, diesmal auf Schusters Rappen. In den feuchten morastigen Wäldern begegnen uns statt Menschen etliche Salamander - Lurchi lässt grüßen.
Ein Wanderweg begleitet von mehreren breiten Bächen, die sich über mehrere natürliche Stufen durch diese verzauberten Wälder schlängeln und stellenweise über Kaskaden zu Tal rauschen, führt uns zunächst zum Ochiul Beiului. Das Auge des Bei ist ein türkisfarbener Wald- und Kratersee mit einer rührenden Legende - nachzulesen in meinem Reisebericht "Wundertüte Rumänien", den ich unten auf dieser Seite als PDF einfüge.
Eine weitere Besonderheit des Sees besteht darin, dass er im Winter nicht gefriert, obwohl er nur 3,5 Meter tief ist und mit einem Durchmesser von ca. 15 Metern eher einem kleinen Tümpel gleicht. Doch ein Tümpel ist meist dunkel und mulschig. Das Auge des Bei aber ist kristallklar und von leuchtend intensiver Farbe. Kein Wunder, dass sich gleich mehrere Legenden um ihn ranken.
Von dort wandern wir weiter bis zur Cascada Beusnita, dem Beuschnitzer Wasserfall. Er ergießt sich über mehrere Ströme über bemooste Felsen, was dem Ort eine zauberhafte Atmosphäre verleiht. Dort verweilen wir lange und können uns von der Beschaulichkeit kaum lösen. Man meint, die ganze Welt hinter sich gelassen zu haben und den Rest seines Lebens nur noch an diesem Ort verbringen zu wollen. Wo bleiben die Feen und Trolle? Ich bin sicher, wären wir einen Augenblick länger geblieben, hätten sie sich uns gezeigt.
Der Schlafende Riese
Im wunderschönen Szeklerland in Coltesti (Kreis Alba) gibt es nicht nur eine Burgruine zu bezwingen, sondern auch einen schlafenden Riesen. Das eine gelingt uns gar nicht, das andere nur bedingt. Schuld daran ist eine oberköstliche Mahlzeit im Conacul Secuiesc, einem Herrenhaus der Szekler, zu der natürlich die Palinka und auch der Nachtisch nicht fehlen dürfen.
Von unserem Tisch aus können wir den schlafenden Riesen in gar nicht so weiter Ferne in der Sonne dösen sehen. Schlagartig packt auch uns die Müdigkeit. Den bezwingen wir heute nicht mehr, so viel steht fest! Darum muss eine Alternative her.
Die besteht aus einer kleinen Fahrradtour Richtung Burgruine. Anfangs sind wir noch hochmotiviert dabei. Doch schon bald fällt uns bei der Steigung das Pedaltreten schwer. (Es sind diesmal keine Mountainbikes, sondern ganz normale Tourenräder, die das Hotel für seine Gäste zur Verfügung stellt.) Gabriel will ohnehin ein Mittagsschläfchen halten. So lassen wir auf halber Strecke unsere Räder in seiner Obhut und gehen zu dritt zu Fuß weiter.
Der Ausblick von oben ist jede Anstrengung wert. Eine Bilderbuchlandschaft breitet sich vor und unter uns aus. Der schlafende Riese döst ungerührt weiter. Ihn werden wir auf einer unserer nächsten Reisen bezwingen. Diesmal begnügen wir uns mit seinem Anblick von unten.
Übrigens gibt es einen Beitrag im Rumänienadventskalender zum Schlafenden Riesen. Darin erzähle ich näher, wie es uns mit ihm ergangen ist und zeige weitere schöne Bilder von der traumhaften Landschaft.
Über sieben Leitern musst du gehn ...
Zurück in der Walachei, in der Nähe von Sinaia in den Südkarpaten - der Heimat Nicolaes - befindet sich ein Canyon. Diesen kann man mithilfe von sieben Leitern durchklettern.
Als wir den Canyon nach einem gemäßigten Wanderweg erreichen, schafft er sich bereits durch das ohrenbetäubende Rauschen der Wasserfälle Respekt. Dann entdecke ich die erste Leiter und bleibe wie angewurzelt stehen: sie führt vier Meter fast senkrecht am nackten Fels entlang! Und ihr Ende ist nicht zu erkennen. Wo bleiben die Leute, die vor uns hochgeklettert sind? Nun gut. Nützt ja nix. Da muss ich nun durch - im wahrsten Sinne des Wortes.
Ja, es war spektakulär! Wirklich sehr beeindruckend! Und ich möchte diese Wanderung nicht missen. Aber die Flatter ging mir trotzdem die ganze Zeit über. Jedenfalls war ich froh, als wir wieder einigermaßen festen Boden unter den Füßen hatten.
Von wegen seniorengerechte Wanderung! Ist halt alles relativ. In Rumänien ohnehin, hier gelten andere Maßstäbe. Was bei uns schon als anspruchsvoller Wanderweg gilt, ist dort noch ein leichter Parcours für die ganze Familie.
Da wir sehr auf unsere Schritte achten müssen, können wir nur wenige Fotoaufnahmen machen. Aber es gibt die wunderbare Seite Urlaub in Rumänien, die diese Tour mit spektakulären Bildern beschreibt. Im Gegensatz zum Autor des dortigen Berichts, hatten wir keine Wartezeiten bei der Schlucht, aber wir waren ja auch unter der Woche dort.
Ja, ich weiß. Auf den Fotos sieht der Weg durch den Canyon über die sieben Leitern völlig easy aus. Aber wenn man dort, umschlossen von nacktem Fels und donnerndem Wasserfall, nur an so einer Leiter hängt und den klaffenden Abgrund unter sich sieht ...
An den abenteuerlichsten Stellen konnten wir natürlich nicht fotografieren. Gar nicht dran zu denken. Trotzdem kann ich jedem, der relativ schwindelfrei und trittsicher ist, diese Wanderung empfehlen.
Reisebericht und weitere Beiträge
Hier finden Sie die zum Thema dieser Seite passenden Beiträge.
Im Reisebericht "Wundertüte Rumänien" ist die gesamte Reise beschrieben. Auf der letzten Seite finden Sie unter anderem die Legende zum Wald- und Kratersee Ochiul Beiului (Das Auge des Bei).

Radeln in Rumänien
Im Frühjahr tourten wir durch das frühlingszauberhafte Karpatenland - begleitet von blühenden Landschaften und den schneebedeckten Gipfeln des Fagaras-Gebirges, über das sich ein strahlend blauer Aprilhimmel wölbte – und manchmal auch von ... (weiter)

Schlafender Riese im Szeklerland oder: Die verhinderte Wanderung
Wir sitzen dort recht gemütlich mit herrlichem Blick auf den „Hausberg“, den 1128 Meter hohen Szeklerstein, auch Schlafender Riese genannt. Eine gewisse hypnotische Wirkung kann man ihm nicht absprechen. Aber Alina will wandern, steht schließlich auf dem Programm ... (weiter)
In Teil 3 der Wundertüte Rumänien
... erwartet Sie all das, was in Teil 1 und 2 keinen Platz mehr gefunden hat, wie:
- Der Skulpturenpark in Targu Jiu mit der berühmten unendlichen Säule und dem Tor des Kusses von C. Brancusi
- Eine der schönsten mittelalterlichen Burgen Europas, die Ritterburg Hunedoara, auch Burg Corvin genannt
- Die geschichtsträchtige Stadt Alba Iulia, deutsch: Weißenburg, die heute sehr römisch anmutet
- Das siebenbürgische Vorzeigedorf Viscri/Deutsch-Weisskirch, wo King Charles III. ein Ferienhaus besitzt
- Die Übernachtung in einem wunderschönen Herrenhaus in Malancrav, wo bereits Sarah Wiener gekocht hat
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> Recherchereisen in Rumänien - Teil 5/1 (Wundertüte RO): Wundertüte Rumänien