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Recherchereisen in Rumänien - Teil 3/2 (Studienrundreise)

"Ausführlich durch das Land der Vielfalt"

Weiter geht es hier mit dem zweiten Teil der Studienrundreise "Ausführlich durch das Land der Vielfalt". 

Falls Sie den ersten Teil noch nicht gelesen haben sollten, den finden Sie hier

Highlights dieser Studienrundreise

Das waren neben den schon lange ersehnten Zielen wie:

  • Der fröhliche Friedhof von Sapanta und
  • Das Königsschloss Peles bei Sinaia

auch welche, die mir zwar vom Namen her was sagten, aber nicht auf meiner Wunschliste standen wie: 

  • Kloster Barsana in der Maramures
  • Die Städte Medias, Targu Mures, Cluj-Napoca, Baia Mare und Piatra Neamt

und sogar welche, die ich so gar nicht auf dem Zettel hatte wie:

  • Die Kirchenburg Valea Viilor

Aber gerade letztere waren eine positive Überraschung und ich bin froh, dies alles gesehen zu haben. Ganz zu schweigen von den zauberhaften Landschaften, durch die wir gefahren sind. 

Die Kirchenburg von Valea Viilor

Meine liebste Kirchenburg auf dieser Rundreise war die Kirchenburg von Wurmloch. Ja, so heißt der Ort tatsächlich.

Valea viilor im Rumänischen, was wörtlich übersetzt Tal der Weingärten bedeutet. Doch die deutsche Bezeichnung des Ortes lautet weit weniger romantisch Wurmloch.

Warum? Das ist die Frage. Ich vermute, dass das Wort "Loch" damals eine andere Bedeutung hatte, so wie in Schottland "Loch" die Bezeichnung für einen See ist. Und Wurm? Irgendwo habe ich gelesen, dass im Mittelhochdeutschen das Wort Urm Schlange bedeutete. Daher "Urmel aus dem Eis"? Egal, irgendwas Urzeitliches. Wäre der Anfangsbuchstabe nicht irgendwann auf der Strecke geblieben, müsste der Ort also Schlangensee oder so ähnlich heißen.

Tja, macht die Sache auch nicht viel besser, oder? Aber egal ob Wurmloch oder Schlangensee: es entstehen Bilder im Kopf. Finden Sie nicht auch, dass ein Dorf dieses Namens voller Sagen und Legenden stecken müsste?

Die Kirchenburg von Valea Viilor (ich bevorzuge aus nachvollziehbaren Gründen die rumänische Ortsbezeichnung) mag vielleicht nicht so imposant sein wie die in Prejmer oder Harman, hat dafür aber eine besonders verwunschene Atmosphäre. 

Vielleicht ist diese Frau Schneider zu verdanken, die wie Herr Schaas in Reichesdorf (siehe Teil 2 dieser Serie) als einzige Siebenbürger Sächsin nach dem Exodus 1990 in ihrem Dorf zurückgeblieben ist und nun den Kirchenschlüssel verwahrt.

 

Mit ihr kamen wir nach der Besichtigung - weil wir unbedingt noch den Glockenturm mit seinen Wehrgängen besteigen wollten und daher mal wieder die Letzten waren - ins Gespräch. Es stimmte uns sehr traurig zu hören, wie ihre ganze Familie sowie Freunde und Nachbarn fortgezogen waren und sie allein zurückblieb. Warum sie nicht auch gegangen war? Ganz einfach: Weil Wurmloch ihre Heimat ist. Dort war sie geboren und dort wollte sie auch sterben.

 

Vermutlich ist ihr Wunsch bereits in Erfüllung gegangen, denn sie war 2014 schon recht betagt. Der Weg zur Kirche und zurück fiel ihr schwer; die Beine wollten nicht mehr.

Sie hat weder gejammert noch geklagt. Nur erzählt, wie es gewesen ist. Und das ging uns sehr zu Herzen.

Wer kümmert sich jetzt um sie, falls sie doch noch leben sollte? Jedenfalls keine Menschenseele, die sie von früher kennt. Oder wer weiß? Vielleicht ist ja der eine oder andere doch inzwischen zurückgekehrt. Ich wünsche es ihr.

Kloster Barsana

Die Klosteranlage Barsana in der Maramures (im Norden des Landes) ist wohl einmalig in ihrer Art. Gleich zwei der dort zu sehenden Holzkirchen gehören zum UNESCO-Weltkulturerbe. Die Klosterkirche ragt mit ihrem für die Region typisch geformten Turm 57  Meter in den Himmel und ist damit die höchste Kirche Rumäniens.

 

Die großzügige und wunderschön bepflanzte Anlage liegt inmitten einer lieblichen Landschaft. Hier leben Nonnen, wie sich an den vielen üppig bepflanzten Blumenkästen und Hängekörben am Wohnhaus erahnen lässt. Lauschige Wege führen vorbei an typisch rumänischen Flechtzäunen, die die wild wuchernden Beete im Zaum zu halten versuchen.

Die Maramures ist bekannt für ihre Holzkunst an Eingangstoren, Zäunen und Dächern. Und für ihre ganz aus Holz gebauten Häuser und Kirchen. An jeder Ecke kann man wundervolle Schnitz-, Drechsel- und Laubsägearbeiten entdecken. Ich konnte mich gar nicht satt genug daran sehen. Holzkunst und Blumenpracht dominieren Barsana, das größte Dorf der Maramures.

Targu Mures, Cluj, Baia Mare, Piatra Neamt

Auch die kleinen und großen Städte Rumäniens haben ihren Reiz. Eine jede sticht durch ein besonderes Merkmal heraus. 

  • Medias durch ihre bunten Tore;
  • Targu Mures durch ihre verspielte Jugendstil-Architektur;
  • die Studentenstadt Cluj durch ihr lebendiges kulturelles Zentrum;
  • die Landeshauptstadt der Maramures Baia Mare durch ihren heimeligen Ortskern;
  • und Piatra Neamt, die Stadt zwischen den Bergen, durch ihre Seilbahn, die über den Dächern der Stadt zum Berg Cozia hochfährt, wo einen lauschige Plätzchen und ein tolles Panorama erwarten.  

Sauber waren sie alle, hübsch begrünt und bepflanzt, wie wir es aus ganz Rumänien kennen. Selbst die zahlreichen Verkehrskreisel gleichen eher bunten Blumeninseln. Darüber hinaus haben wir überall erfreulich viele - und unbeschmierte! - Parkbänke und Abfalleimer gefunden. Zumindest Hamburg könnte sich von den rumänischen Städten eine dicke Scheibe abschneiden. Natürlich rede ich hier nur von den Zentren, in den Außenbezirken mag es anders aussehen. Aber wo nicht? 

Der Fröhliche Friedhof von Sapanta

Über ihn hatte ich schon so manchen TV-Bericht gesehen, bevor ich ihn diesmal persönlich in Augenschein nehmen durfte. Auch in etlichen Reiseberichten hatte ich über ihn gelesen. Denn es ist der wohl berühmteste Friedhof Rumäniens. Klar, wo sonst auf der Welt gibt es noch einen fröhlichen Friedhof?

 

Dieser Friedhof ist voller Geschichten - Geschichten über die Toten, die hier begraben liegen. Denn auf jedem der bunt bemalten Grabkreuze ist der Verstorbene nicht nur bildlich - meist in Ausübung seines Berufs - dargestellt, sondern darüber hinaus seine herausragendste Eigenschaft in Versform eingraviert. Das ist nicht immer von Vorteil für die wehrlosen Toten. Da bekommt die böse Schwiegermutter schon mal im Nachhinein ihr Fett weg. Aber es ist so amüsant formuliert und liebevoll gestaltet, dass die Toten sicher nichts dagegen gehabt hätten.

Trotzdem berichten die Grabkreuze auch über schlimme Schicksale oder über Trunkenbolde und Schwerenöter. Nach dem Tode wird mit nichts mehr hinterm Berg gehalten.

 

Darum sind die Dörfler vorsichtig geworden. So mancher bestellt noch zu Lebzeiten sein Grabkreuz beim Künstler und überwacht dessen Arbeiten minutiös. Vor allem den Nachruf! Ob der noch Lebende hier ein Vetorecht hat, ist mir nicht bekannt. Sicherlich nicht, sonst wäre es ja nur der halbe Spaß.

 

Über den fröhlichen Friedhof von Sapanta habe ich 2015 einen Beitrag zum Rumänien-Adventskalender geschrieben. Dort können Sie ein blaues Wunder erleben! Auf jeden Fall bekommen Sie viele Bilder zu sehen und kuriose Geschichten zu lesen. Viel Vergnügen! 

> Zum Artikel Der fröhliche Friedhof von Sapanta

Schloss Peles

Auch bei diesem absoluten Touristen-Hotspot war unser Cristian so clever, uns als allererste Gruppe des Tages anzumelden. Die Besichtigung des Königsschlosses im Peles-Tal nimmt bei 160 Räumen einige Zeit in Anspruch. Natürlich sind davon nur ein paar auserwählte für die Öffentlichkeit zugänglich. Doch allein diese - wie das berühmte Musikzimmer, der üppig dekorierte Thronsaal oder die sensationelle Ruhmeshalle enthalten so viel Prunk, dass man hinterher froh ist, das strapazierte Auge im verwunschenen Schlossgarten mit Blick in die malerische Berglandschaft ausruhen zu können.

Zu Zeiten des deutschstämmigen Königs Carols I. und seiner Gattin Elisabeth, die sich Schloss Peles als Sommerresidenz erbauen ließen, entwickelte sich das architektonisch vom Bayernkönig Ludwig II. inspirierte Schloss zur Kulturstätte. Berühmte Künstler, Musiker und Literaten gingen dort ein und aus. Dies geschah auf Betreiben Königin Elisabeths, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, die schönen Künste in ihrer neuen Heimat zu fördern. (Sie selbst hat unter ihrem Künstlernamen Carmen Sylva unter anderem Märchen geschrieben, die sie in der malerischen Landschaft ihres Sommersitzes angesiedelt hatte. ) So finden sich einige frühe Gemälde von Gustav Klimt und die berühmte Violine von George Enescu unter den Ausstellungsstücken.

 

Ausführlicher über das Schloss, seine Bewohner und den darin befindlichen Prunk habe ich in einem Beitrag zum Rumänien-Adventskalender 2022 berichtet. Dem schließt sich noch ein Einblick in das entzückende Jugendstil-Schlösschen Pelisor an, das ich auf einer der nachfolgenden Reisen besucht habe. 

> Zum Artikel Peles und Pelisor.

Aus dem Busfenster

Abgesehen von den attraktiven Sehenswürdigkeiten, von denen ich längst nicht alle hier aufgezählt habe, waren es die schönen Landschaften, durch die wir gefahren sind, die zur Vielfalt dieser Reise beigetragen haben.

Ich habe etliche Fotos aus dem Busfenster gemacht. Die Qualität ist aufgrund der getönten und reflektierenden Scheiben sowie der Fahrbewegung natürlich nicht so gut, aber für mich ist es eine wunderbare Erinnerung. Hier ein paar Eindrücke:

Stationen dieser Rundreise

  • Walachei: Bukarest, Kloster Curtea de Arges und Kloster Cozia
  • Transsilvanien/Siebenbürgen: Sibiu/Hermannstadt
  • Kirchenburg in Valea Viilor und Biertan, Städte Medias und Sighisoara
  • Die Städte Targu Mures, Cluj-Napoca, Baia Mare
  • Maramures: Friedhof in Sapanta, Kloster Barsana, Holzkirche in Rozavlea und Bogdan Voda
  • Bukovina: Stadt Radauti und die Moldauklöster Sucevita, Moldovita, Voronet und Gura Humorului
  • Kloster Neamt, Kloster Agapia und Varatec, Stadt Piatra Neamt
  • Fahrt durch die Dobrodgea nach Tulcea an der Donau
  • Schifffahrt im Donaudelta
  • Walachei: Prahovatal und Gebirgsort Predeal in den Südkarpaten
  • Transsilvanien: Brasov und die Kichenburgen Harman/Honigberg und Prejmer/ Tartlau
  • Walachei: Schloss Peles, Kloster Sinaia und Castel Bran

MEINE EMPFEHLUNG

Diese Rundreise kann ich allen ans Herz legen, die sich einmal selbst von der Schönheit und Vielfalt Rumäniens überzeugen wollen. Eines kann ich Ihnen versprechen: Rumänien ist völlig anders, als Sie denken! 

Inzwischen wird diese Reise von GEBECO angeboten.

Download
Ausführlich durch das Land der Vielfalt (Studienrundreise Rumänien)
2014 Land der Vielfalt - Dr. Tigges.pdf
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Im Rumänien-Adventskalender 2014 habe ich einen Artikel über diese umfangreiche Studienrundreise geschrieben.

> Zum Artikel Ausführlich durch das Land der Vielfalt

Die drei Perlen der Südkarpaten

Drei Perlen der Südkarpaten habe ich bisher unerwähnt gelassen, dabei sind sie ein absolutes MUST SEE auf jeder Rumänienrundreise. 

Es handelt sich um die walachischen Klosterkirchen in Sinaia, Curtea de Arges und Cozia. An allen drei Stätten kann man die Baukunst des von mir bereits mehrfach zitierten Fürsten Brancoveanu bewundern.

 

Mehr über diese prächtigen Kathedralen finden Sie in meiner Schatzkiste auf der Seite Schauplatz Rumänien.

> Zur Unterseite Kirchen und Klöster

 

Mir sind sie besonders wichtig, weil die Walachei die zweite Heimat meines Titelhelden ist. Nicolae wächst in einem Schloss in den Südkarpaten nahe Sinaia heran, zwei Bergdörfer sind sein Zuhause und hin und wieder der Stadtpalast in Bukarest. Dieses "Ursprungsland" der Rumänen - auch als das "Rumänische Land" bezeichnet - hat einen völlig anderen Charakter als beispielsweise Siebenbürgen oder die Bucovina, auch wenn dies gelegentlich ebenfalls Schauplätze der Nicolae-Saga sind.

 

Von daher habe ich bei meinen weiteren Recherchereisen den Schwerpunkt auf die große Walachei (Muntenia) und die kleine Walachei (Oltenia) gelegt. Hier schlägt das Herz meiner "Rumänien-Saga".

 

In dem Artikel "Eine Rumänien-Saga" der Hermannstädter Zeitung - über meine Lesung in Sibiu siehe Teil 3/1 dieser Serie - werde ich folgendermaßen zitiert:

 

"Mir ist es ein Anliegen mit literarischen Mitteln Rumänien aus seinem Schattendasein zu holen und es in seinem wahren Licht zu zeigen. Für die meisten Deutschen ist Rumänien immer noch ein weißer Fleck auf der Landkarte, obwohl es so herrlich bunt und kulturell vielfältig ist - ein Schatz, den es zu bergen, zu zeigen und zu erhalten gilt."

 

Ich hoffe, dass ich mit dieser Blogserie ebenfalls etwas dazu beitragen kann. 


Lesen Sie auch in dieser Serie:

> Recherchereisen in Rumänien - Teil 1 (Donau-Kreuzfahrt): Von der Cazanenge bis zum Donaudelta

> Recherchereisen in Rumänien - Teil 2 (Kultur- und Wanderrundreise): "Karpaten, Klöster und Kirchenburgen"

> Recherchereisen in Rumänien - Teil 3/1 (Studienrundreise): "Ausführlich durch das Land der Vielfalt"