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Recherchereisen in Rumänien - Teil 3/1 (Studienrundreise)

"Ausführlich durch das Land der Vielfalt"

Ausführlich durch das Land der Vielfalt: hier in den Gassen von Sighisoara/Schäßburg

Die guten Erfahrungen mit der ersten organisierten Gruppenreise: "Karpaten, Klöster und Kirchenburgen" mit Wikinger-Reisen - siehe Teil 2 dieser Serie - hat uns den Mut gegeben, es nochmals mit einer geführten Tour zu versuchen.

 

Diesmal sollte es eine Studienrundreise mit Dr. Tigges werden.

Der Titel: "Ausführlich durch das Land der Vielfalt". 

 

Warum mir das wichtig war?

Weil ich auf unserer ersten Reise erfahren habe, um wie viel intensivere Einblicke in Land und Leute man durch einen einheimischen Reiseleiter erhält. Vor allem wollte ich diesmal den Schwerpunkt auf der Geschichte des Landes haben und eine weitere, ausführlichere Version hören.

 

Meine Bedenken:

  • Strapaziöses Zuhören an Ort und Stelle
  • Übereifrige Mitreisende, die alles ganz genau wissen wollen 
  • Stundenlanges Sitzen im Bus
  • Und immer mit einer großen Gruppe unterwegs

Nichts von dem ist eingetreten: 

  • Die Vorträge waren lebendig, verständlich und kurzweilig gehalten.
  • Es gab zum Glück nur einen Mitreisenden, der grundsätzlich Nachfragen stellte, um mit seinem eigenen Wissen zu prahlen - ein pensionierter Lehrer natürlich!
  • Wir sind fast nie länger als 30 Minuten gefahren bis zum nächsten Besichtigungspunkt; zur Not gab es eine "technische Pause" auf einer komfortablen Raststätte, was in Rumänien die Tankstellen sind - mit Bistro, Shop, sauberen Toiletten und meistens sogar hübsch bepflanzter Gartenanlage.
  • Bei fast jedem Stopp hatten wir nach einer kurzen Einweisung genug Zeit für individuelle Erkundungen, insofern war alles entspannt und wir hatten weit mehr Freiräume als auf der ersten Reise. Ohnehin waren wir nur etwa 30 Personen, alles sehr angenehme Zeitgenossen.

"Ausführlich durch das Land der Vielfalt"

Der Titel dieser Reise war Programm! Unfassbar, was wir alles in den zwei Wochen gesehen haben, ohne dass es zu viel wurde. Die Tour war abwechslungsreich geplant und an keiner Stelle ermüdend.  

Das ist nicht zuletzt dem sympathischen Reiseleiter Cristian zu verdanken gewesen, der einen sehr guten Job gemacht hat. Dabei saß er wie auf Kohlen, weil er sein erstes Kind erwartete. Aber er war - oder ist noch? - ein Vollprofi. 

 

Er hat die Geschichte seines Landes aus verschiedenen Perspektiven erzählt: nicht nur aus rumänischer, sondern auch aus ungarischer und siebenbürgischer - und als i-Tüpfelchen aus seiner eigenen. Und genau diese hat mich innerlich nicht nur aufatmen, sondern diesmal regelrecht jubeln lassen. Noch mehr Bestätigung für meine Darstellung der rumänischen Geschichte in der Nicolae-Saga war nun nicht mehr nötig. Das war für mich der finale Segen.

 

Natürlich gab es bei den Besichtigungspunkten Überschneidungen zur ersten Reise, weil diese Attraktionen einfach zu jeder Rumänien-Rundreise dazugehören. Als da wären:

  • Kloster Neamt im Nordosten des Landes
  • Die berühmten Moldau-Klöster
  • Die siebenbürgischen Städte Sibiu/Hermannstadt, Brasov/Kronstadt und Sighisoara/Schäßburg
  • Ja, und natürlich die "Dracula-Burg" Castel Bran an der ehemaligen Grenze Transsilvanien-Walachei
  • Sowie die eine oder andere Kirchenburg

Aber das zweite Mal haben wir diese Stätten ganz anders erlebt:

Kloster Neamt

Kloster Neamt konnten wir diesmal bei Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen erleben statt bei 6° C und Regen. Zudem waren wir an einem Wochenende dort und es wimmelte von Sonntagsausflüglern, die mit ihren Familien gekommen waren - zum Gottesdienst, um ihre Kinder segnen zu lassen oder auch ihr Auto.

Kein Witz! Bevor eine Familie mit ihrem Auto eine Urlaubsreise antritt, kann es nicht schaden, wenn vom Fachmann mit dem direkten Draht nach oben der Motorraum mit Weihrauch gesegnet und dafür gebetet wird, dass die Familie gesund und auch das Auto heil zurückkehrt. Ja, das mutet ganz schön schräg an. 

Nicht weniger allerdings, als wenn ältere Frauen unter dem Altar hindurchkriechen und dabei züchtig ihren Rock um die Beine zurren. Das will leider nicht immer gelingen und bietet auch ohne dem einen leicht befremdlichen Anblick.

 

Nun gut, andere Länder, andere Sitten - das war schon immer so. Trotzdem wirkt die hohe Religiosität der Rumänen (85% der Bevölkerung bekennen sich zum rumänisch-orthodoxen Glauben) für uns protestantischen Nordländer eher ungewohnt. Aber ja, so ist es. Am Sonntag strömen Jung und Alt in die Kirche, sogar - man mag es kaum glauben - Teenager. Ganze Großfamilien pilgern zu den bekannten und weniger bekannten Klöstern, die es zuhauf im Lande gibt. Das Klosterleben in Rumänien ist alles andere als still und verschwiegen, es ist äußerst lebendig. Das in Neamt auf jeden Fall.

Bruder Antonius wirbelte fröhlich in dem lebhaften Haufen der Gläubigen umher und war natürlich in seinem Buchladen anzutreffen. Erwähnte ich schon, dass er des Deutschen mächtig ist, da er in Deutschland studiert hat, und in seiner Mönchszelle alle Karl-May-Bände im Bücherschrank stehen hat? Auch ein unerwarteter Anblick, den ich auf der vorherigen Reise bereits erhalten hatte.

Moldau-Klöster

Ursprünglich hatten mein Mann und ich vor, uns an dem Tag auszuklinken, denn die Eindrücke der bunt bemalten Klöster in Moldovita, Sucevita und Voronet standen uns noch lebhaft vor Augen. 

Aber dann sind wir doch mitgefahren und haben es nicht bereut. Ganz im Gegenteil!

 

Diesmal waren uns die Wandmalereien an der Außenfassade der Klöster bereits vertraut und so konnten wir die einzigartige Atmosphäre dort aufsaugen. Des Weiteren erkannten wir nun die Systematik in den biblischen Darstellungen und konnten den Ausführungen leichter folgen. Unser Auge war von der Bilderflut nicht mehr so überfordert wie noch beim ersten Mal.

 

Schwester Tatiana war in Moldovita auch wieder zur Stelle und wirbelte in gewohnt resoluter Art mit ihrem Laserpointer über die Ikonen, wie sie nicht müde wird zu betonen. Fresken beschreiben lediglich die Maltechnik, also das Auftragen von Farbpigmenten auf frischen Putz. Aber viel wichtiger ist hier natürlich der Bildinhalt an den Außenfassaden der Moldauklöster - biblische und gesegnete Bildmotive, also Ikonen.

Das metallische Grün in Sucevita habe ich diesmal intensiver wahrgenommen.

Und die unbeschreiblich friedliche Stimmung in Voronet mit seinem einzigartigen Blau war fast meditativ zu nennen. 

 

Fazit: Der zweite Besuch der Moldau-Klöster war eine weitaus  größere Bereicherung.

Sibiu, Brasov und Sighisoara

Alle drei siebenbürgische Städtchen haben ihren eigenen Charakter und wirken, was kaum verwundert, wenig rumänisch. Besonders Sibiu mutet sehr deutsch an, während Brasov - am Fuße der Südkarpaten gelegen - mich eher an Österreich denken lässt. Sighisoara, in der Landesmitte, versetzt einen unmittelbar zurück ins Mittelalter mit seinen gut erhaltenen Wehrmauern und Zunfttürmen. Von den dreien ist sie mir die liebste.

Sibiu/Hermannstadt - plus Lesung aus Band 3 der Nicolae-sAga

Unser Aufenthalt in Sibiu war für mich diesmal von besonderer Bedeutung. Denn ich habe dort im Erasmus-Büchercafe  aus Band 3 der Nicolae-Saga gelesen. In diesem besucht Nicolae nämlich das Hermannstädter Knabengymnasium (heute Brukenthal-Gymnasium), auf dessen Schulhof ich bereits auf der vorherigen Reise stand. 

Wochen zuvor hatte ich Kontakt zum Inhaber der Hermannstädter Schiller-Buchhandlung Jens Kielhorn aufgenommen, der auch das Büchercafe betreibt. Er hatte mir umgehend eine Lesung angeboten. Das allein kommt ja nicht alle Tage vor.

Aber wie erstaunt und erfreut war ich, als wir am Vorabend in Sibiu ankamen! Überall war auf Plakaten meine Lesung angekündigt und obendrein die ersten drei Bände der Nicolae-Saga im Schaufenster der Schiller-Buchhandlung ausgestellt. Auch die Presse war eingeladen worden. So viel Service war ich von zu Hause nicht gewohnt.

 

Die Lesung war überraschend gut besucht. Unsere Reisegruppe hätte natürlich ein naheliegendes Publikum abgegeben, hatte aber Programm, aus dem ich mich für den Abend ausgeklinkt hatte. Dafür war eine andere kleine deutsche Reisegruppe zugegen, die die Plakate gelesen und spontan umdisponiert hatte. Lustigerweise kamen sie aus Hamburg.

Aber auch andere Zuhörer waren erschienen und trugen zu einer lebendigen Frage-Antwort-Runde am Ende der Veranstaltung bei.

 

Ein wenig in Stress geriet ich allerdings bei der Dame von Radio Bukarest, die mich nach der Lesung mit ihrem Aufnahmegerät interviewte. Auf so etwas war ich zu dem Zeitpunkt noch überhaupt nicht vorbereitet gewesen.

Den Mitschnitt der Sendung hatte ich mir später auf meine alte Website heruntergeladen, aber nach so langer Zeit ist er leider nicht mehr verfügbar. Dafür aber der Artikel "Eine Rumänien-Saga" über meine Lesung, den Beatrice Ungar von der Hermannstädter Zeitung geschrieben hat. 

 

An einem der Handlungsorte der Nicolae-Saga zu lesen, war wirklich etwas ganz Besonderes. Und es war schön, wieder einmal durch die pittoresken Gassen und über die vielen Plätze der Stadt zu flanieren, die ich bereits Jahre zuvor zusammen mit Nicolae in Band 3 fiktiv erkundet hatte.

Diesmal war auch kein Oktoberfest auf dem Großen Ring aufgebaut wie bei der vorherigen Reise, was die Ansicht auf die hübschen Fronten der Patrizierhäuser und den Brukenthalpalast versperrt hätte. Insofern konnte ich das historische Zentrum diesmal uneingeschränkt genießen.

Brasov/Kronstadt

Auch in Brasov hatten wir diesmal viel mehr Zeit zur eigenen Erkundung zur Verfügung und so haben wir uns unbekannte und sehr schöne Ecken entdeckt. Wie zum Beispiel die mittelalterliche Kathedrale von St. Nicolae, ein historisches und architektonisches Monument im ältesten rumänischen Viertel der Stadt, bei dem es auch wieder brancoveneske Baukunst (siehe Teil 2 dieser Serie) zu bewundern gab; sowie die allererste Schule Rumäniens, die dort 1495 zusammen mit der Kathedrale erbaut wurde und heute als Museum dient.

 

Die Berglandschaft, die Brasov von fast allen Seiten umgibt, vermittelt etwas Heimeliges und Beschauliches. Es lohnt sich, die Stadt entlang der alten Wehrmauern zu umrunden, wie wir es auch diesmal wieder getan haben, oder die umliegenden Anhöhen zu erklimmen, von wo aus man einen fantastischen Blick auf die Stadt und die Gipfel der fernen Karpaten hat.

 

Mein Tipp, falls Sie mal dort sein sollten: Brasov verfügt über Patisserien mit allerlei Köstlichkeiten. Leider war es diesmal nicht die richtige Tageszeit, um dort einzukehren. Aber eigentlich ist eines dieser schokoladenen Küchlein ein Muss!

Sighisoara/Schäßburg

In Sighisoara hatten wir nur den Nachmittag und Abend zur Verfügung, was für Neuankömmlinge ein bisschen kurz ist. Aber wir hatten ja auf der vorherigen Reise bereits reichlich Zeit dort verbracht; nämlich einen ganzen Tag lang, während ein Großteil der Gruppe am Nachmittag auf "fakultativer Wanderung" war.

 

In besonderer Erinnerung geblieben ist mir die blaue Stunde, zu der wir durch die stillen malerischen Gassen geschlendert sind, sowie der pastellige Abendhimmel beim Blick auf die Unterstadt und die sie umgebende Landschaft.

 

Auch in Sighisoara gab es einen süßen Leckerbissen. Im Hotel Binderbubi (inzwischen ein Mercure) - in dem zur k.u.k-Zeit schon Kaiserin Sisi abstieg - wurde eine köstliche Vanillepuddingschnitte als Nachtisch serviert; im Ernst: die beste, die ich je gegessen habe! Bei uns sind sie leider aus der Mode gekommen. Früher hatte sie fast jeder Bäcker. Wie schön, dass sie in Rumänien noch so beliebt sind.

Castel Bran/Törzburg

Castel Bran, in der Nähe von Brasov/Kronstadt, bietet die perfekte Kulisse als Dracula-Schloss. Insofern wird es von der Tourismusbranche entsprechend vermarktet. Auf unserer vorherigen Reise hat sich die Museumsmitarbeiterin, die uns durchs Schloss führte, als Nachfahrin von Dracula geoutet. Danach blieb sie zum Glück bei den historischen Tatsachen.

 

Diesmal hatte unser Reiseleiter Cristian die Führung selbst übernommen. Schon auf dem Weg zum Schloss erklärte er uns, dass er Reisegruppen anderer Nationalitäten immer die Dracula-Version präsentieren müsse, sie bestünden darauf. Nur wir Deutschen würden die nüchternen Fakten bevorzugen. Also nix Legenden - wir elenden Spaßverderber!

 

Also denn: dieses entzückende Schlösschen auf der ehemaligen Grenze zwischen Transsilvanien und Walachei wurde einst vom Deutschen Ritterorden gegründet. Während der folgenden Jahrhunderte ging es durch mehrere Hände. So war es u. a. Sitz des Zollamts bevor die Stadt Brasov es der von allen sehr verehrten Königin Maria (Nachfolgerin von Elisabeth, der ersten Königin Rumäniens) schenkte. Sie machte es zu ihrem Lustschlösschen. Heute ist es ein äußerst sehenswertes Museum und Touristenmagnet.

 

Schon allein wegen der herrlichen Aussicht auf die Landschaft ringsherum lohnt sich ein Besuch. Unser Cristian war so schlau, uns als letzte Gruppe des Tages durchzuführen, insofern hatten wir genug Zeit - und Platz! - auf den Wehrgängen stehenzubleiben, um in den Innenhof zu schauen. Normalerweise krabbeln die Touristen wie Ameisen durch die Burg.

 

Und was hat das alles nun mit "Dracula" zu tun?

Mit Fürst Vlad III., genannt der Pfähler, der historischen Vorlage von Bram Stokers Schauerroman, rein gar nichts. Außer dass in einem der Räume sein Stammbaum auf einem großen Plakat ausgehängt ist. Man will den Touris schließlich was bieten. Also sind für Dracula-Fans auch noch in Vitrinen Filmkostüme  ausgestellt. Und im Museumsshop gibt es alles, was das Herz von Vampirliebhabern höher schlagen lässt - oder schlägt das nicht? 

Kirchenburgen in Siebenbürgen

Die Siebenbürger Sachsen haben damals nach der Besiedelung Transsilvaniens zum Schutz vor Raubrittern wehrhafte Burganlagen um ihre Kirchen herum gebaut, wo sie im Falle einer Belagerung mehrere Monate überleben konnten.

 

Die bekanntesten Kirchenburgen sind: Prejmer/Tartlau, Harman/Honigberg, Biertan/Birthälm und Visci/Deutsch-Weißkirch. Aber es gibt noch so viele mehr. Etliche von ihnen gehören zum UNESCO Weltkulturerbe.

Prejmer und Biertan hatten wir auf der vorherigen Reise bereits besichtigt. Auf dieser Reise kam die imposante Anlage in  Harman hinzu, die mich total beeindruckt hat. Man konnte sich das Leben in der Kirchenburg lebhaft vorstellen.

 

In meiner Schatzkiste finden Sie auf der Seite Schauplatz Rumänien einen bebilderten Beitrag über die soeben genannten Kirchenburgen mit weiterer Information. 

> Zur Unterseite Siebenbürgische Kirchenburgen

 

So. Ursprünglich wäre jetzt noch viel mehr an attraktiven Zielen in Rumänien gefolgt. Aber ich will Ihre Geduld nicht überstrapazieren. Darum habe ich an dieser Stelle einen Cut gemacht.

 

Weiterhin "Ausführlich durch das Land der Vielfalt" geht es im nächsten Beitrag. Darin zeige ich Ihnen die Höhepunkte und Überraschungen dieser Reise. Unter anderem berichte ich über einen fröhlichen Friedhof, ein märchenhaftes Königsschloss und die drei Perlen der Karpaten.


Lesen Sie auch in dieser Serie:

> Recherchereisen in Rumänien - Teil 1 (Donau-Kreuzfahrt): Von der Cazanenge bis zum Donaudelta

> Recherchereisen in Rumänien - Teil 2 (Kultur- und Wanderrundreise): "Karpaten, Klöster und Kirchenburgen"