recherche-Reisen in Rumänien - Teil 2

Im letzten Blogbeitrag hatte ich von meinen allerersten Eindrücken von Rumänien im Rahmen einer Donau-Kreuzfahrt berichtet. Natürlich war das nur ein ganz kurzer Einblick, aus dem ich aber sehr viel mitgenommen habe.
Die erste Recherche-Reise in Rumänien
Die Sehnsucht, das Land meiner Romanfiguren ausführlicher zu bereisen, wurde allerdings immer größer.
Nur wie? Mein Mann und ich sind nicht die großen Abenteurer. Und organisierte Gruppenreisen, in denen man stundenlang im Bus sitzt, waren auch nicht so unser Ding. Einfach auf blauen Dunst loszufahren, kam für uns mit meinen paar Brocken Rumänisch ebenfalls nicht infrage.
Da stieß ich auf eine kombinierte Wander- und Kulturrundreise mit einer Kleingruppe durch Rumänien. Das klang zumindest annehmbar. Die vielen ganztägigen Wanderungen gaben den Ausschlag.
Mit den 14 Teilnehmern hatten wir ein Riesenglück. So manche langjährige Freundschaft ist daraus entstanden.
In zwei Wochen können selbstverständlich nur die wichtigsten touristischen Ziele aufgesucht werden, wobei unser rumänischer Reiseleiter - ein begeisterter Bergwanderer - den Schwerpunkt auf Naturerlebnisse und Einblicke in das Leben der Bergbauern und der Landbevölkerung legte. Und ein Liebhaber von Klöstern und Kirchenburgen war er offenbar auch.
Die Attraktionen der Städte wurden eher pflichtschuldig absolviert, da das Programm sie nun mal vorsah; gerne bot er eine fakultative Wanderung in der Umgebung an.
Der Titel der Reise "Karpaten, Klöster und Kirchenburgen" fasst daher sehr gut die Schwerpunkte der Rundtour zusammen.
Meinen bebilderten Reisebericht füge ich weiter unten als PDF-Download ein, den Sie sich auch einfach nur anzeigen lassen können, ohne ihn herunterzuladen.
Eigentlich wollte ich noch eine Bildergalerie hinzufügen. Deshalb hatte ich bereits die besten von fast zweitausend Fotos herausgesucht. Aber das waren immer noch so viele, dass es noch einmal so lange gebraucht hätte, eine angemessene Auswahl zu treffen.
Da fiel mir ein, dass ich damals eine kleine Slideshow mit meinen Lieblingsmotiven als Video auf YouTube hochgeladen hatte. Ich denke, damit ist Ihnen für einen ersten Eindruck besser gedient.
Um es ansehen zu können, müssen Sie allerdings die Cookies akzeptieren oder diesen Link zu YouTube anklicken.
Auf Nicolaes Spuren
Das Besondere dieser Reise waren wie gesagt die Wanderungen in den Südkarpaten und in der Bucovina - genau die Gegenden, die Nicolae in Band 1 mit seiner Mutter bereist hatte. Und so habe auch ich ...
- die Gebirgszüge gesehen, die Nicolae in einem langen Brief an seine Urgroßeltern in Galway beschrieben hat;
- habe die gleichen traditionellen Gerichte gekostet wie er: saure Suppe (Ciorba), Krautwickel (Sarmale), Maisbrei (Mamaliga) etc.
- sowie die mit Holzschnitzarbeiten verzierten Bauernhäuser und kunstvoll bemalten Eier bewundert;
- habe das einzigartige Blau auf der Außenfassade des Moldauklosters in Voronet bestaunt, das so viele Jahrhunderte der Witterung standgehalten hat, und konnte Rebeccas Begeisterung für diese leuchtende Farbkraft nachempfinden.
- Sogar im Kurort Vatra Dornei, in dem Nicolae mit seiner Mutter ein paar Wochen verbracht hat, haben wir auf meine Bitte hin kurz Station gemacht, sodass ich den Kurpark mit der berühmten Quelle sowie das halb zerfallene Kasino aus der k.u.k-Zeit mit eigenen Augen sehen konnte; Letzteres war zur Handlungszeit allerdings noch nicht erbaut.
- Wie Nicolae so habe auch ich in Sighisoara/Schäßburg den Stundturm (turnul cu ceas) mit den bunten Schindeln bestiegen und die Figur im Mauerwerk zur vollen Stunde trommeln gehört;
- habe dort ebenfalls die überdachte Schülertreppe mit den 175 Stufen zur Bergkirche genommen und darin brav Decken- und Wandgemälde sowie das Sakramentshäuschen betrachtet, allerdings ohne gelangweilt aufzustöhnen,
- und habe auch die Schwarze Kirche in Brasov/Kronstadt mit der ottomanischen Teppichsammlung aus dem 17. und 18. Jahrhundert besucht, ohne mir heimlich die Zeit mit einem Yo-Yo zu vertreiben.
- Das Königsschloss Peles in Sinaia hat Nicolae in Band 1 und 2 noch nicht bestaunen können, denn es wurde erst zu einem späteren Zeitpunkt erbaut; aber die Landschaft, die es umgibt, ist tatsächlich märchenhaft.
- Und ich habe auf dem Schulhof des Gymnasiums in Sibiu/Hermannstadt gestanden, das Nicolae in Band 3 besucht.
Das waren für die erste Reise eine Menge Spuren Nicolaes, denen ich gefolgt bin. Und ja, es war aufregend und fantastisch, dass so vieles noch erhalten ist!
Begegnung mit historischen PErsönlichkeiten
Des Weiteren bin ich vier historischen Persönlichkeiten begegnet, die in der Nicolae-Saga eine nicht unwesentliche Rolle spielen. Alle vier Herren weisen eine bewegende Biografie auf, die eng mit dem Land verknüpft ist. Sie finden daher fast immer und überall in der rumänischen Geschichte Erwähnung. Und so sind sie auch in die Nicolae-Saga mit eingeflossen.
Fürst Vlad III. Basarab

Vald III. - genannt Tepes, der Pfähler (1431 bis 1476).
Ihm hätte ich bereits in Bukarest über den Weg laufen können, wenn wir die schöne Stadt nicht im Laufschritt abgehakt hätten. Schließlich hat er sie 1459 zur Residenz- und damit zur Hauptstadt erklärt. Folgerichtig steht er als Standfigur vor dem Alten Fürstenhof, wo ich ihn bei meinem nächsten Aufenthalt in Bukarest getroffen habe; allerdings eher zufällig, denn die historische Altstadt ist für jeden Neuankömmling zunächst einmal ein Labyrinth.
Auf dieser Reise habe ich ihn darum erst auf einem Alleingang in seiner Geburtsstadt Sighisoara/Schäßburg ausfindig gemacht, wo wir zuvor nur kurz durch sein Geburtshaus gehuscht waren - wie gesagt, ist unser Reiseleiter für städtische Attraktionen nicht so zu haben gewesen. Schade, denn darin befindet sich ein äußerst geschmackvoll eingerichtetes Restaurant mit traditioneller Küche, wovon ich mich auf einer späteren Reise überzeugen konnte.
Immerhin haben wir Castel Bran, das als Dracula-Schloss touristisch angepriesen wird, besucht. Da der Fürst dort aber keine Spuren hinterlassen hat, hat dieses durchaus sehenswerte Schlösschen keinen so großen Stellenwert für meine Recherche gehabt. Aber die Leute lieben es und so gibt es an den Ständen rund ums Schloss massenweise Dracula-Souvenirs zu kaufen.
Fürst Constantin Brancoveanu

Constantin Brancoveanu (1654 bis 1714)
Eine Büste des kunstsinnigen Fürsten habe ich auf meiner ersten Rumänienreise leider nicht gefunden. Daher steht die in floralem Design verzierte spiralförmige Steinsäule stellvertretend für ihn. Er hat nicht nur den rumänischen Baustil geprägt, sondern sein Land zu einer kulturellen Blütezeit verholfen.
Der brancoveneske Baustil ist eine Kombination aus venezianischer und byzantinischer Architektur und findet sich fast überall im Land, vor allem an Klöstern, Palästen und Herrenhäusern.
Beim Kloster Stavropoleos in Bukarest habe ich für wenige Minuten meine erste brancoveneske Säule bewundern dürfen; auch Fenster- und Türumrandungen sind mit kunstvollen Steinmetzarbeiten versehen, ganz zu schweigen vom Klosterhof mit seiner Steinsammlung.
Das Stavropoleos ist immer wieder eines meiner ersten Anlaufziele, wenn ich in Bukarest bin - eine Oase für die Sinne inmitten der quirligen Altstadt.
Das tragische Schicksal des Fürsten und seiner Familie ist Sinnbild für das des rumänischen Volkes. Insofern ist dieser weltoffene und weitgereiste Fürst ein wichtiger Bestandteil meiner Recherchen gewesen. Die zauberhaften Brancoveanu-Klöster in Horezu und Sambata de Sus habe ich auf späteren Recherche-Reisen besucht. Darüber bald mehr.
Da mich Brancoveanus Baukunst so sehr begeistert, habe ich im Rumänienadventskalender 2014 darüber berichtet.
Darin erfahren Sie mehr über den Brancoveanu-Baustil und bekommen vor allem viele schöne Bilder zu sehen.
Nationaldichter Mihai Eminescu

Mihai Eminescu (1850 bis 1889)
Der Nationaldichter hat Nicolae durch sein Gedicht "Der Abendstern" in Verzückung versetzt. Kein Wunder, sind seine Werke doch von philosophischen und mythologischen Themen durchdrungen.
Eminescus Werdegang ist ebenso spektakulär wie der öffentliche Skandal, der nicht nur das Ende seiner dichterischen Laufbahn bedeutete, sondern seines gesamten gesellschaftlichen Lebens. Um seinen "Abgang" ranken wilde Spekulationen politischer Natur.
Natürlich musste ich dieser außergewöhnlichen Persönlichkeit und seines aufrührerischen öffentlichen Wirkens eine Episode in Band 6 widmen. Und so mag Nicolae nicht glauben, dass sein Lieblingsdichter dem Wahnsinn verfallen sein soll, wie die Zeitungen es behaupten. Vielmehr ist er davon überzeugt, dass weit mehr dahinterstecken muss.
Tut es auch. Nicolae wird durch seine privaten Nachforschungen an für das Land brisante Informationen kommen.
Mihai Eminescu habe ich auf dieser Reise sowohl im Park Cismigiu und vor dem Athenäum in Bukarest entdeckt als auch im Kurpark von Vatra Dornei.
Überhaupt steht er so gut wie vor jedem Theatergebäude des Landes. Schön, dass er immer noch so viel Verehrung erfährt.
König Carol I. von Rumänien

Carol I. aus dem Hause Hohenzollern-Sigmaringen (1839 bis 1914)
Er steht als Reiterstandbild vor der Nationalbibliothek in Bukarest und schaut gen Königspalast, wo heute das Nationale Kunstmuseum untergebracht ist.
Mit seiner Geschichte - und die seiner Gattin Elisabeth - habe ich mich ausführlich beschäftigt, da er fast über die gesamte Handlungszeit der Nicolae-Saga auf dem Thron saß und die politischen Geschicke des Landes lenkte. Für manche, wie den Dichter Eminescu, allerdings nicht energisch genug, was fatale Folgen hatte.
Die für mich spannendste Frage war: Wie konnte es dazu kommen, dass ein Deutscher auf dem rumänischen Thron saß?
Mit dieser Ausgangsfrage entrollte sich mir die gesamte rumänische Geschichte:
- über Alexandru Ioan Cuza, der 1861 den Nationalstaat Rumänien gründete und so erstmals die beiden Fürstentümer Walachei und Moldau vereinigte,
- bis zurück ins Mittelalter zu Zeiten Fürst Vlad III. Tepes und dessen Vater Vlad II. Dracul sowie Großvater Mircea cel Batran aus dem Hause Basarab
- und sogar ganz zurück bis zum antiken Volk der Daker und deren König Decebalus, dessen in Fels gehauene Skulptur ich auf der Donaukreuzfahrt bestaunen konnte (siehe Recherchereisen in Rumänien - Teil 1)
Auf späteren Reisen sollte ich nicht wie dieses Mal nur einen kurzen Blick auf die königliche Sommerresidenz von Carol I. und dessen Gattin Elisabeth im Bucegi-Gebirge werfen, sondern Schloss Peles (siehe Bildergalerie oben "Auf Nicolaes Spuren") in aller Ruhe von innen besichtigen können, bevor die Touristenströme Schlange standen.
Die Geschichte eines fremden Landes
Die Geschichte eines anderen Landes in einem Roman zu behandeln, auch wenn sie nur im Hintergrund abläuft, verlangt verdammt viel Fingerspitzengefühl. Da gibt es gewisse festgefahrene Lager unter den Historikern, die sich wegen unterschiedlicher Theorien verbal die Köpfe einschlagen - siehe dazu meinen Blogbeitrag zur Recherche.
Rumänien ist seit jeher ein strategisch günstig gelegenes und daher begehrtes Gebiet; zu viele Machthaber aus den umliegenden Regionen haben immer wieder ihre Finger danach ausgestreckt. Der derzeitige Frieden ist fragil, wie die jüngste Vergangenheit nach dem Sturz Ceausescus gezeigt hat. Von daher ist und bleibt die Historie Rumäniens ein heißes Eisen und unterliegt entsprechend unterschiedlicher Auslegungsart.
Ich aber erzähle bewusst aus rein rumänischer Sicht. Denn diese kommt eindeutig zu kurz. So entstehen verwässerte Bilder und Vorurteile, die nicht auszurotten, vor allem aber furchtbar ungerecht sind. Es lohnt sich daher immer, hinter die Kulissen zu schauen und die einseitigen Darstellungen zumindest infrage zu stellen.
Die historische Version unseres Reiseleiters ließ mich innerlich aufatmen. Sie gab mir die Bestätigung, die ich brauchte, und hat mir gezeigt, dass ich die richtigen Schwerpunkte bei der Darstellung der rumänischen Geschichte ausgewählt hatte. Somit habe ich nach besten Wissen und Gewissen ein möglichst authentisches und damit faires Bild des Landes geschaffen.
Diesbezüglich war die zweite Rumänienreise (Beitrag folgt in Tei 3 dieser Serie) noch wertvoller für mich. Denn der rumänische Reiseleiter von Dr. Tigges hat uns die rumänische, die ungarische und die sächsische Geschichtsdarstellung vermittelt - und dann seine eigene. Bei letzterer habe ich innerlich nicht nur aufgeatmet, sondern diesmal gejubelt!
Unvergessliche Erlebnisse und Begegnungen
Die Reise war ein ausgewogenes Programm an Wanderungen und Besichtigungen, also eine gute Mischung aus Natur und Kultur. Darüber hinaus gab es unvergessliche Erlebnisse und Begegnungen wie:
- Die Übernachtung im Kloster Neamt, in dem der äußerst charismatische Bruder Antonius fast eine unserer Mitreisenden zum orthodoxen Glauben bekehrt hätte; jedenfalls war sie nach dem Abendessen plötzlich verschwunden und anderntags ganz verklärt in jede Kirche eingekehrt - und es gibt in Rumänien an jeder Ecke eine! Da im Kloster gerade Fastenzeit war, wurde weder Fisch noch Fleisch serviert, ja überhaupt keine tierischen Produkte. Als Ausgleich stellten uns die diensthabenden Mönche jede Menge Messwein auf den Tisch und der Abend wurde recht lustig. Erwähnte ich schon die Pferdedecken? Es war nämlich lausig kalt im Norden des Landes nahe der ukrainischen Grenze und wir kamen direkt aus der fast 40 Grad heißen Hauptstadt. Da wir die letzten Septembertage zu fassen hatten, war noch keine Heizung angestellt, das erfolgt immer erst zum 1. Oktober. Wir wussten die Pferdedecken sehr zu schätzen.
- Der Besuch bei der Eier-Künstlerin in der Bucovina, deren Name ich leider vergessen habe. Ja, Eier zu bemalen ist eine Kunst - jedenfalls in Rumänien. Bevor wir am Morgen ihr Atelier betraten, gab es erst einmal einen Heidelbeerschnaps - das ist so Brauch in Rumänien, wenn man Gäste empfängt. Sodann konnten wir wunderschöne Exemplare bewundern, vom Hühnerei bis zum Straußenei. Sie erklärte uns die von ihr angewandte Wachstechnik und führte sie uns vor. Zwar hatte ich darüber schon TV-Beiträge gesehen, aber kapiert habe ich immer noch nicht, wie genau das funktioniert, außer dass es viele Arbeitsgänge und Geduld erfordert und sich die Ergebnisse so was von zeigen lassen (siehe Bildergalerie oben).
- Schwester Tatiana vom Moldaukloster Moldovita, die so modern und weltlich ihre Touristengruppen durchschleust, dass es einem die Sprache verschlägt; zum Teil auch ihr selbst, denn - aus Zeitmangel? - hat sie gerne einzelne Wörter verschluckt und aus "Können Sie sehen?" wurde ein hektisches "Können Sie? Können Sie?" Dabei ist sie blitzschnell mit ihrem Laserpointer über die Außenfassade des Klosters gefahren, sodass wir Mühe hatten, dem grünen Punkt mit den Augen zu folgen. Herzerfrischend und lebhaft hat sie uns die Bedeutung der "Ikonen - nicht Fresken!" nähergebracht. Hinterher war ich von der Bilderflut und Farbwucht ganz erschlagen.
- Johann Schaas aus Reichesdorf - der letzte Siebenbürger Sachse in dem Dorf, denn: "Irgendwer muss ja die Kirche auf- und abschließen und nach dem Rechten sehen!" Also ist er als einziger geblieben. Er ist Jahrgang 1933 und weiß viele Geschichten über das einstige "reiche Dorf" zu erzählen, und das auf so amüsante Art, dass man ihm ewig zuhören möchte. Sein Hauptanliegen aber ist der keltische "Grüne Mann", der sich in seiner protestantischen (!) Kirche versteckt hält. Sie war nicht immer protestantisch. Und so wurde zur Bildersturmzeit vieles übertüncht und weggekloppt. Dem "Grünen Mann" - ein vorchristliches Symbol der Kelten (siehe Bildergalerie) - blieb also nichts anderes übrig, als sich zu verstecken, um nicht dem gemeinen Meißel zum Opfer zu fallen. Nur aus einem ganz bestimmten Blickwinkel ist er zu erkennen. Und diese kennt nur noch Herr Schaas - und diejenigen, die sich von ihm durch "seine" Kirche führen lassen. Es gibt ein wunderbares Buch von Andrea Rost über ihn und seine Geschichten aus Reichesdorf mit dem Titel: "Das Leben ist so schön, wenn man darüber lächeln kann!" Das ist sein Lebensmotto.
- Der Einsiedler Vasile, der sommers wie winters in mit seinen Hunden (darunter ein Wolfshund) in einer Berghütte lebt. Ein karges Leben fristet er dort und doch scheint er alles zu haben, was er braucht. Jede Ecke seiner Hütte ist funktionell eingerichtet, kein Platz vergeudet, und alles, was die Natur zu bieten hat, wird verwertet. Mit simplen Mitteln zaubert er uns im Handumdrehen Tisch und Bänke aus zersägten Baumstämmen, damit wir vor seiner Hütte Platz nehmen können, legt sogar eine Decke auf und kocht uns Kaffee. Wenn er gewusst hätte, dass wir kommen, hätte er Kuchen da gehabt, sagt er bedauernd und fordert die Kontaktdaten unseres Reiseleiters, damit er ihm das nächste Mal rechtzeitig Bescheid geben könne. Da staunten wir nicht schlecht, als dieser Einsiedler plötzlich ein Handy aus seiner Tasche zog - als wir selbst gerade erst unser erstes Handy erworben hatten. Schließlich müsse er jederzeit Hilfe holen können, wenn ihm in der Einsamkeit dort etwas passierte. Wie wahr! Er war ja auch nicht mehr der Jüngste, sondern im Rentenalter. Und in dieser Abgeschiedenheit hatte er Empfang? Natürlich! Ganz Rumänien sei bereits vernetzt. Da konnten wir nur staunen. Wer war denn nun der Hinterwäldler? Vasile anscheinend nicht. Stolz wies er auf die Solarplatten auf seinem Schuppen - für Warmwasser und das Nötigste; so ein Handy will schließlich regelmäßig aufgeladen werden. Wir staunten abermals. Ich spreche von 2012, wohlgemerkt!
Es gäbe noch mehr Geschichten zu erzählen, aber diese waren die für mich beeindruckendsten.
Die Frage aller Fragen
Aber nun zur wichtigsten Frage:
Wie erging es mir auf der Reise? Wie war es für mich, das erste Mal so richtig den Fuß auf rumänischen Boden zu setzen?
Musste ich die bis dahin noch unveröffentlichten Manuskripte zu Band 3 und 4 grundlegend überarbeiten?
Das konnte ich Gott sei Dank mit einem eindeutigen Nein beantworten. Nicht ein einziges Wort habe ich ändern müssen. Alles habe ich so angetroffen, wie ich es mir vorgestellt hatte. Merkwürdig vertraut kam mir vieles vor, obwohl ich es zum ersten Mal mit eigenen Augen sah.
Genau so muss es meinem kleinen Titelhelden ergangen, als er das Land seiner Vorfahren erstmals betrat, ohne von diesem Umstand überhaupt etwas zu ahnen. Auf Lesungen wurde ich dann auch des Öfteren gefragt, ob ich rumänische Vorfahren hätte. Meine Antwort lautet stets: Nicht, dass ich wüsste!
Die erste Rumänienreise hat mir die Bestätigung gegeben, die ich brauchte, um die weiteren Bände der Nicolae-Saga mit dem Gefühl der Stimmigkeit in die Welt zu entlassen.
Damit erhebe ich keineswegs den Anspruch auf absolute Korrektheit, die kann es in der Weltgeschichte ohnehin nicht geben. Es handelt sich immer nur um Versionen von Geschichte, ihre Darstellung und Auslegung. Und so bin ich derjenigen gefolgt, die mir am plausibelsten erschien - unabhängig der offiziellen oder allgemeinen Linie.
Darüber hinaus habe ich meine eigene Vorstellungskraft bemüht, schließlich ist die Nicolae-Saga eine fiktive Geschichte. Im englischsprachigen Raum wurde dafür ein eigenes Literatur-Genre geschaffen - historical fiction. Das trifft es viel genauer als unser Historischer Roman, der heutzutage dessen anspruchsvolle Kriterien ohnehin nur noch selten erfüllt.
Die gründliche Recherche des historischen Rahmens war in erster Linie für mich selbst wichtig. Er bildet neben denen der Geschichten von Land und Leuten ein solides Gerüst. Aber das Wesentliche, das diese Bausteine zusammenhält, ist der Kitt, welcher meiner Fantasie - oder besser: Intuition - entsprungen ist, sowie die Seele, die ich der Nicolae-Saga dabei eingehaucht habe.
Vieles hat sich oft erst in der Nachrecherche bestätigt. Und das hatte wirklich etwas Mystisches!
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Recherche-Reisen in Rumänien - Teil 1
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