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Thomas Hardy: Auf verschlungenen Pfaden

Ein englischer Klassiker

Was ich gerade lese: "Auf verschlungenen Pfaden" von Thomas Hardy

Klar, dass mich der Titel "Auf verschlungenen Pfaden" angesprochen hat, oder??? Er würde sich nämlich gut in die Reihe der Nicolae-Saga-Titel einfügen.

Aber das ist nicht der Grund, weswegen ich zu diesem Buch gegriffen habe.

Thomas Hardys Romane: "Tess", "Am grünen Rand der Welt" und "Auf verschlungenen Pfaden"

Auch nicht wegen des vom dtv schön gestalteten blumenreichen Covers. Obwohl ich aus dieser Reihe bereits Hardys "Tess" und "Am grünen Rand der Welt" besitze. 

 

Der Grund ist: Es war einfach mal wieder Zeit für einen Hardy. Zudem befand ich mich in einer stabilen Verfassung. Denn wie bereits in meinem Beitrag zu Thomas Hardys "Tess" erwähnt, handelt es sich bei ihm um den Meister der dramatischen Wendungen und tragischen Liebesgeschichten. Für das oftmals bittere Ende sollte man allerdings gefestigt sein. Es kann einem ziemlich an die Nieren gehen, bei "Jude the Obscure" allemal!

Umso glücklicher war ich, dass Hardy diesmal Milde mit seinen Romanfiguren hat walten lassen. Bei aller Dramatik gab es zumindest für ein Liebespaar so etwas wie ein Happy End. 

Das versöhnliche Ende ist allerdings allein der Tatsache geschuldet, dass Hardy "Auf verschlungenen Pfaden" zuvor als Fortsetzungsroman veröffentlicht hatte und man den Lesern der Zeitschrift so viel Tragik auf einmal wohl nicht zumuten wollte.

Er konnte es sich aber nicht verkneifen, diesen Umstand als Fußnote auf einer der letzten Buchseiten zu erwähnen und sogar sein ursprüngliches Konzept zu skizzieren. Gnädigerweise hat er es daraufhin den Lesern überlassen, zwischen den beiden Schlüssen zu wählen - nicht ohne folgenden abschließenden Hinweis: Diejenigen, die strenge künstlerische Maßstäbe anlegen, mögen den konsequenteren Schluss als den wahren betrachten.

Nö, mein Lieber!!! Ich lass das mit den strengen künstlerischen Maßstäben jetzt mal sein. Denn ein einziger Glückstropfen in einem Kelch voll bitteren Trunks tut der Kunst nun wirklich keinen Abbruch!

 

Aber worum geht es in dem Roman überhaupt?

Wie immer hat sich Hardy die Landbevölkerung als Personal gewählt, diesmal die "Heideleute". Diese einfachen mit der Natur verbundenen Menschen arbeiten zumeist als Torfstecher oder Ginsterschneider und frönen bei aller Frömmigkeit so manch heidnischem Brauch. Auch hier kommt man in den Genuss poetischer Landschaftsbeschreibungen, sodass man meint, den Buchseiten würde direkt der Duft der Heideblüten entströmen. Aber auch die Düsternis dieser eher rauen Landschaft, teilt sich dem Leser unmittelbar mit.

 

Zwei Personen passen nicht in dieses Landschaftsbild:

Zum einen der junge Yeobright, der in Paris im Juwelierhandel tätig war und es zu einem gewissen Wohlstand gebracht hat. In den Augen der Dörfler hat er es geschafft! Die Mutter ist stolz und bereitet ihm einen grandiosen Empfang, als er für einen Urlaub nach Hause kommt. 

Was weder sie noch sonst jemand versteht, ist, dass er gedenkt, sein luxuriöses Leben in der französischen Hauptstadt aufzugeben. Das Geld hat ihn nicht glücklich gemacht. Seine Arbeit im Dienste der Wohlhabenden betrachtet er als unnütz. Lieber möchte er zu seinen Wurzeln zurückkehren und seine intellektuellen Fähigkeiten nutzen, um die Bauernkinder zu bilden und eine Schule zu gründen. Das trifft bei allen auf völliges Unverständnis. Wozu sollen die Kinder Lesen und Schreiben lernen, wenn sie später wie ihre Väter tagein tagaus Torf stechen oder Ginster schneiden werden?

Hier passt natürlich der Originaltitel: The Return of the Native um so viel besser.

 

Zum anderen lebt abseits der Dorfgemeinschaft Eustacia, die eine Schule in der Stadt besucht hat, bevor sie Waise wurde und nun bei ihrem Großvater in der Heide lebt. Sie ist ein mystisches Wesen, schlendert mit melancholischem Blick in der Landschaft umher und ist - da sie sich von den übrigen Frauen des Dorfes fernhält, dafür aber mit ihrer rätselhaften Schönheit Männer in ihren Bann zieht, wie könnte es anders sein - als Hexe verschrien.

Eigentlich hat sie eine leidenschaftliche Affäre mit dem Wirtshausbetreiber, auch er hatte einst Aussichten auf einen gesellschaftlichen Aufstieg und hat das Ingenieurswesen studiert. Doch auch er ist zu seinen Wurzeln zurückgekehrt.  Leider ist er etwas oberflächlicher Natur und recht unzuverlässig. So ist es mit den beiden Liebenden ein ewiges Auf und Ab.

 

Bis der junge Yeobright auftaucht. Nun ist dieser Eustacias Favorit, ein Mann von Welt, der ihr ein Leben in Luxus in Paris bieten kann, wovon sie schon lange träumt. Denn die Öde der Heidelandschaft ist ihr, der Gebildeten, unerträglich. Sie will nicht glauben, dass er seine außerordentliche Karriere wirklich aufgibt. Im Gegenteil, sie ist davon überzeugt, dass er - wenn sie erst einmal Mann und Frau sind - ihr zuliebe sein glanzvolles Leben in Paris wieder aufnehmen wird.

 

Da hat sie sich allerdings geschnitten, und irgendwann dämmert es ihr, dass sie besser bei ihrem leidenschaftlichen Lover im Wirtshaus geblieben wäre. Zu spät, dieser hat sich bereits mit Thomasin (Yeobrights Cousine) verlobt - allein um Eustacia eins auszuwischen und sie eifersüchtig zu machen.

 

Yeobrights Mutter (und Thomasins Tante) aber leidet fruchtbar unter den Irrungen und Wirrungen ihres Sohnes. Sie erkennt den wahren Charakter von Eustacia und will ihren Sohn von der Heirat mit dieser abhalten. Das aber kann er ihr nicht verzeihen und entfremdet sich immer mehr von seiner Mutter.

Als auch ihre Nichte heiratet, ist sie plötzlich ganz allein im Haus, keiner mehr da, den sie umsorgen kann - und keiner, der nach ihr sieht. Sie leidet schrecklich unter der Trennung von ihrem Sohn und beschließt, sich mit ihrer Schwiegertochter zu versöhnen. Doch ausgerechnet da kommt es zu einer Reihe unglücklicher Umstände und falscher Entscheidungen, die zu einem furchtbaren Ereignis führen.

 

Es gibt noch mehr interessantes Personal in dieser Geschichte, wie der herumreisende Rötelmann, der zwischendurch immer wieder in Erscheinung tritt und die Wogen zu glätten trachtet. Er ist ein guter Beobachter und leiht den Dorfbewohnern sein Ohr, obwohl er so manchem Vorurteil seines Berufes wegen ausgesetzt ist.

 

Sämtliche Geschichten sind ineinander verschlungen. Es gibt massenweise Missverständnisse, unglückliche Fehlinterpretationen, leidvolle Kümmernisse, falsche Erwartungen, unerfüllte Liebe und die Sehnsucht nach Anerkennung - die ganze immerwährende menschliche Misere also. Was sich hier im Kleinen abspielt ist lediglich ein Spiegel für die große Welt und ihrer Unfähigkeit, miteinander glücklich zu sein. 

 

Und wieder einmal muss ich feststellen: Ich liebe Hardys Romane, so nahe sie mir auch gehen. Es ist diese Mischung aus Realismus, mystischer Romantik und Hader mit den gesellschaftlichen Konventionen.

 

Mein Lieblingszitat aus diesem Buch lautet: 

 

"Ich wünschte, die Leute wären nicht immer so bereit zu glauben,

dass es keinen Fortschritt ohne Bleibendes gibt."

 

Welch frommer Wunsch, Mr Hardy! Es sollten mehr Leute Ihre Bücher lesen, dann wäre diese Welt vielleicht eine bessere. Sofern sie lernfähig wären. Sofern sie den Spiegel erkennen, den Sie ihnen vorhalten. Sofern der Mensch endlich begreift ...