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Das Geheimnis des Wilkie Collins und die Nicolae-Saga

Das Geheimnis des Wilkie Collins und die Nicolae-Saga

Die 7-bändige Nicolae-Saga: Mystische Familiengeschichte im viktorianischen England und sagenumwobenen Rumänien von Aurelia L. Porter
Die 7-bändige Nicolae-Saga: Mystische Familiengeschichte im viktorianischen England und sagenumwobenen Rumänien

Im letzten Blogbeitrag hatte ich in der Kategorie Was ich gerade lese begeistert von dem Mystery-Roman "Die Frau in Weiß" von Wilkie Collins erzählt. Dieses Buch war in doppelter Hinsicht ein Erlebnis. Nicht nur, dass ich mir vor Spannung die Fingernägel abgeknabbert habe - sinnbildlich gesprochen, versteht sich! -, sondern ich bin darüber hinaus zu einer unerwarteten Erkenntnis in Bezug auf meine Nicolae-Saga gekommen.

 

Was zu dieser hohen Spannung in "Die Frau in Weiß" beigeträgt, ist das raffinierte Konzept von Wilkie Collins, der die Handlung von seinen Romanfiguren abwechselnd weitererzählen lässt. Fast meint man, Zeugenaussagen zu lesen, was den Spannungsbogen unwillkürlich aufbaut und zum auflösenden Ende hin mitnimmt. Das verleiht dem Ganzen eine ungeheure Authentizität. Das Geheimnis wird so Stück für Stück wie ein Puzzle zusammengesetzt. Aber schon vorher lässt er bei seinen Lesern Ahnungen entstehen.

 

Auch ich habe mich in Band 6 (und Band 7) der Nicolae-Saga dieses Stilmittels bedient. Beide Bände sind von meinen Romanfiguren im Wechsel selbst erzählt. Und ich muss sagen, dass mir beim Schreiben dieses Format am besten gefallen hat.

Es hat nämlich den großen Vorteil, dass man als Autor ganz in die verschiedenen Charaktere hineinschlüpfen, deren Sichtweisen einnehmen und deren Gedanken- und Gefühlswelt anschließend ungefiltert zum Ausdruck bringen kann.

Die Romanfiguren sind nicht mehr abhängig von der Wahrnehmung und damit Fehlinterpretation anderer, sondern sie können direkt zu uns sprechen. Kommen unterschiedliche Ansichten zu Wort, entstehen unweigerlich Kontorversen, die für Konfliktsituationen und ein entsprechendes Spannungsfeld sorgen.

Darüber hinaus können die Dinge aus unterschiedlichen Warten beleuchtet werden, was den Leser - im günstigen Fall - zum aktiven Mitdenken anregt.

 

Ich will mich hier keinesfalls mit Größen wie Collins messen, die mich jedoch unleugbar in meinem Schreiben stark beeinflusst haben, ohne dass ich mir dessen bis vor Kurzem bewusst gewesen wäre. Erst jetzt, da ich mir die Lektüre aus früheren Zeiten (siehe auch "Jane Eyre" von Charlotte Bronte) erneut zu Gemüte führe, erkenne ich die Keime, die sie in mich als junge Leserin gesetzt haben. 

 

Was das Stilmittel Collins anbelangt, so habe ich dieses nicht bewusst eingesetzt, um Spannung zu erzeugen. Es war mehr aus der Not heraus geboren. Denn die Veröffentlichung der Bände 1 bis 5 hat mir oft kaum Zeit zum Weiterschreiben gelassen. (Die Manuskripte zu Band 1 bis 4 waren bereits fertig, bevor ich mit der Veröffentlichung der Nicolae-Saga begonnen habe.) 

 

Band 6 ist in den Jahren 2012 bis 2016 entstanden, in denen ich immer nur einzelne Episoden verfasst habe in Form von Tagebuchaufzeichnungen und Briefen meiner Protagonisten.

Als ich endlich Zeit dazu fand, den Band in Angriff zu nehmen, stellte ich beim nochmaligen Lesen der fertigen Schriftstücke fest, dass ich sämtliche Bestandteile für Band 6 bereits beisammen hatte. Ich brauchte sie "nur noch" mit entsprechenden Überleitungen in einen Zusammenhang zu stellen und in eine gemeinsame Form zu gießen. Ich war selbst davon total überrascht, dass es funktionierte, und mit dem Ergebnis mehr als zufrieden.

 

Hätte ich es also von Anfang an so machen sollen? Nein. Denn die Nicolae-Saga ist in mehrfacher Hinsicht auch ein Entwicklungsroman. Einerseits was den Reifeprozess meiner Titelfigur anbelangt, andererseits den meiner schriftstellerischen Arbeit. Ganz klar habe ich an Band 1 - meinem Debütroman - am meisten herumgedoktert. Wie sollte es auch anders sein? Ab Band 4 fühlte ich mich frei von jeglichen Vorgaben, er floss mir nur so aus der Feder. Danach war ich total experimentierfreudig.

 

Letztendlich kann ich behaupten, dass jeder einzelne Band seinen ganz eigenen Charakter erhalten hat. Es ist keiner davon besser oder schlechter - nur anders. Und das freut mich am allermeisten. Mein Schreibabenteuer war dadurch so facettenreich wie nur möglich.

 

Und ja, auch das muss einmal gesagt werden: Das alles wäre nicht möglich gewesen, wenn ich bei einem Verlag unter Vertrag gestanden hätte. Insofern bietet das Selfpublishing (Selbstverlegen) Autoren viel mehr Möglichkeiten sich auszuprobieren und zu entfalten. Denn wir "Unabhängigen" sind nicht gezwungen, nach Schema F zu schreiben, nur weil sich das vermeintlich gerade gut verkauft. Nicht umsonst veröffentlichen auch bekannte Autoren ihre Bücher, die ihnen wirklich am Herzen liegen, in dieser Form. Denn Herzensbücher haben mit Kommerz und mit schneller Vermarktung nur selten etwas zu tun.

 

Ich danke Wilkie Collins für seinen wunderbaren Mystery-Roman, der mir den Zugang zu diesem Genre erst eröffnet hat.