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Francoise Flor: Bis morgen, Caroline

Jugendbuch - erste Liebe

Was ich gerade lese: "Bis morgen Caroline" von Francoise Flor

Bis morgen Caroline

Als ich neulich den Dachboden aufräumte, stieß ich auf einen Karton mit alten Kinderbüchern. Darunter ein Jugendbuch, das ich vor genau 50 Jahren von meiner Patentante zum Geburtstag bekommen hatte. Damals wurde ich 13 Jahre alt und sie war wohl der Meinung, dass dies das richtige Alter sei für den ersten Liebesroman. Zwar stand ich damals mehr auf Abenteuerbücher wie die von Karl May, Jack London oder Mark Twain, aber sei's drum - ich habe ihn brav gelesen. Und anscheinend hat er mir gut gefallen, denn sonst hätte ich ihn nicht aufbewahrt. Ich hatte sogar einiges davon noch in Erinnerung! Es muss mich also in irgendeiner Form beeindruckt haben.

 

Da ich mich dieses Jahr ab und zu literarisch auf Abwegen befinde (Krimis, Frauenliteratur und wer weiß, was noch so kommt), dachte ich, mal schauen, wie ein Jugendbuch um das Thema "Erste Liebe" damals in den 70ern geschrieben wurde.

 

Über die Autorin Francoise Flor kann ich im Internet leider nichts finden. Auch der Klappentext gibt nicht allzu viel her, außer dass die Autorin aus der Camargue stammt, wo sie zusammen mit sechs Geschwistern aufwuchs. Während längerer Aufenthalte in Tunesien, Japan, an der Elfenbeinküste und auf Madagaskar widmete sie sich insbesondere der dortigen Situation von Jugendlichen.

Das Buch selbst habe ich nur noch bei Booklooker gefunden, aber ohne weitere Information. Schade.

 

Die eigentliche Geschichte ist schnell erzählt: Der 19-järhige Martin und die achtzehnjährige Caroline fahren jeden Morgen mit demselben Vorortzug zur Schule nach Paris.  Martin ist von dem Mädchen, das stets in ihr Buch vertieft ist, beeindruckt. Er überlegt lange, wie er sie ansprechen soll, da kommt sie ihm auf unerwartete Weise zuvor.

Sie lernen sich ein bisschen kennen. Er besucht das technische Gymnasium, sie das humanistische - wie sollte es zu jener Zeit auch anders sein?

 

Der Zeitgeist der 70er macht den Reiz dieses Jugendromans aus. Als Leserin, die in den Jahren herangewachsen ist, hatte ich etliche "Ach ja!"-Momente.

Das fing schon mit den Plattenläden an, in denen man in die schwarzen Scheiben aus Vinyl per Telefonhörer hineinhören konnte; man ließ auflegen. Und so waren diese Orte Treffpunkt der Jugend.

So ganz langsam kamen die ersten Discos auf. Ansonsten traf man sich auf häuslichen Feten, wenn die Eltern verreist waren, wo man Sangria trank und beim Engtanz dem anderen Geschlecht näherkam. Das war in Frankreich damals offenbar nicht anders als bei uns.

 

Typisch für diese Zeit auch Martins Eltern, die ständig an seinem äußeren Erscheinungsbild rummäkeln: er solle sich endlich die Haare schneiden lassen, nicht so schlampig herumlaufen und sonntags bitte mit Krawatte! Und überhaupt, was soll aus dir werden, wenn du dich in der Schule nicht endlich mal ins Zeug legst!

 

Martin hat es mit seinen Eltern nicht leicht. Sie sind geschieden. Die Mutter zu weichherzig, der Vater zu streng - das typische Klischee. Dennoch war es vielfach einfach so.

Martin pendelt zwischen den Wohnorten seiner Eltern und fühlt sich heimatlos. Mit der Trennung haben die Eltern ihm sein Zuhause genommen. Darum hängt er überwiegend mit seiner Clique ab, zu der ein oberflächliches Glitzergirl gehört, das erst dann Besitzansprüche auf Martin erhebt, als Caroline ins Spiel kommt. Der übliche Beziehungskrempel also.

 

Aber auch eine Portion Drama ist enthalten. Denn eines Tages erscheint Caroline weder zu ihrer Verabredung mit Martin, noch anderntags zur gewohnten Zeit im Zug. Auch die Folgetage bleibt sie weg.

Über ihren kleinen Bruder, der denselben Zug nimmt, erfährt Martin, dass sie schwer erkrankt ist. Martin beschließt, Caroline, die er gerade erst ein bisschen näher kennengelernt hat, im Krankenhaus zu besuchen. Und mit jedem Besuch wird ihre Verbindung - auch ohne viele Worte - inniger. Es sind die Blicke, die mehr sagen als alle Worte.

Nur zwei Störfaktoren gibt es: Carolines Freund aus der Theatergruppe und Martins Glitzergirl-Freundin aus der Clique.

 

Es folgen Eifersucht, Intrige, Loslösung vom Elternhaus, Veränderung, Erkenntnis, Reife - alles drin auf den gut 200 Seiten.

Sympathisch geschrieben ohne ins Kitschige abzudriften.

 

Was die Klischees betrifft: manches muss wohl in einen Jugendliebesroman hinein, anderes entspricht halt mehrheitlich den Tatsachen. Die typischen Probleme der Jugend eben. Sie sollen sich ja schließlich in den Romanfiguren wiederfinden.

 

Francoise Flor hat diesen Roman sehr einfühlsam geschrieben, man merkt, dass ihr junge Menschen am Herzen lagen und sie Einblicke in deren Sehnsüchte und Nöte genommen hat.

Die einzige Kritik, die ich anbringen muss, ist, dass diese beiden jungen Leute streckenweise zu erwachsen denken und handeln. Deren philosophischen Betrachtungen des Lebens sind jedenfalls äußerst bemerkenswert. Das tut dem Romänchen jedoch keinen Abbruch.

 

Ob diese Liebesgeschichte für Jugendliche auch heute noch funktionieren würde? Das möchte ich bezweifeln. Zu artig trotz Martins Rebellion gegen den Vater; zu sehr heile Welt, trotz der geschiedenen Eltern; und am Ende alles zu schön, um wahr zu sein. Also genau das, was man in dieser problembehafteten Welt gerne lesen möchte.

 

Für mich war es eine herrliche Reise zurück in die 70er. Danke Francoise Flor.


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