Hommage an einen Schulmeister
Good-Bye Mr Chips
Dieses Buch war eine Empfehlung auf Instagram. Die Begeisterung der Leserin hat mich zum Kauf des Buches animiert, das jedoch nur im Original erhältlich ist. Da ich sehr gerne Romane im englischen Original lese, war dies äußerst willkommen.
"Good-bye Mr Chips" ist eine Novelle oder vielmehr eine Hommage an einen englischen Schulmeister, den guten alten Mr. Chipping – von allen nur liebevoll „Chips“ genannt. Er unterrichtet bis zu seinem hochbetagten Lebensende mit Herz und Verstand in Brookfield, einer Internatsschule für Jungs.
Der britische Autor James Hilton (1900-1954) hat in dieser Novelle das Leben des fiktiven Schulmeisters Charles Edward Chipping aufgezeichnet und ihm damit ein Denkmal gesetzt.
Googelt man den Titel, so wird einem zuallererst das 1939 erschienene Filmdrama "Auf Wiedersehen, Mr Chips" angezeigt, das auch als Romanze bezeichnet wird. Typisch Hollywood, möchte ich da anmerken, denn die Liebesgeschichte spielt in der Romanvorlage nur eine Nebenrolle. Der Film muss allerdings ein Wahnsinnserfolg gewesen sein, denn der Schauspieler Robert Donat gewann für die Titelrolle sogar einen Oscar.
Zum Inhalt
Hilton schildert den alten Schulmeister Chips mit all seinen liebenswerten Marotten und altmodisch anmutenden Gewohnheiten. Als Mr Chipping 1870 als junger Lehrer nach Brookfield kommt, meint er, sich durch Strenge Respekt verschaffen zu müssen. Nachsicht und Güte lernt er erst von seiner Ehefrau, die ihm leider nur kurze Zeit vergönnt ist.
Mr Chipping ist noch fest in der viktorianischen Epoche verwurzelt und pflegt deren Traditionen bis ins 20. Jahrhundert hinein. Die Episoden spielen überwiegend während des Ersten Weltkriegs (1914 - 1918) und in den 20/30er Jahren.
Chips hält Kontakt zu seinen Schülern und ist stolz darauf, sich an jeden seiner Jungs nicht nur erinnern zu können, sondern ihn sogar als Erwachsenen wiederzuerkennen.
So abgeschieden und routineerfüllt Mr Chips' Leben in dem beschaulichen Schulstädtchen auch erscheinen mag, das „wahre Leben“ dringt trotzdem bis zu ihm vor – durch gelegentliche Besuche in London und durch den Kontakt zu seinen ehemaligen Schülern.
Sogar vom Großen Börsenkrach 1929 bleibt Mr Chips nicht verschont. In der Story „Mr Chips takes a risk“ ist ein ehemaliger Brookfield-Schüler in die Finanzkrise verstrickt und rät seinem einstigen Schulmeister rechtzeitig zum Verkauf seiner Aktien; er bietet ihm sogar das Doppelte seines ursprünglichen Einsatzes.
Wenig später kommt es zum Börsenkrach. Der ehemalige Schüler wird zu 12 Jahren Gefängnis verurteilt mit der Begründung, dass er Tausende unschuldige Personen in den Ruin getrieben habe, die darauf vertraut hätten, dass er ihr Geld sicher anlege, stattdessen habe er damit spekuliert. – An der Stelle konnte ich nicht anders als zu denken: Wie viele von den hochangesehenen Finanzhaien demnach heute wohl hinter Gitter gehörten?
Viele Seitengeschichten, die um Brookfield ranken und im direkten Bezug zu Mr Chips stehen, folgen in dem angefügten Band „To You Mr Chips“. Es sind berührende Erzählungen aus Sicht der jungen Schüler und ihren Blick auf die Welt.
Selbst vermeintlich schwierige Jungs weiß Chips mit seinem Einfühlungsvermögen, Humor und seiner Weisheit zu meistern. Darum ist er im wahrsten Sinne des Wortes ein Schulmeister und nicht bloß ein Lehrer.
Hätte es mehr von seiner Sorte gegeben – diesen Tenor kann man deutlich herauslesen –, wäre den meisten Schülern ihre Schulzeit nicht so verhasst gewesen.
Zum Autor
Als ich den mir bis dahin unbekannten Autor James Hilton für diesen Bericht googelte, wurde mir als Erstes sein Porträtfoto angezeigt. Da entfuhr mir direkt ein: Ach, wie sympathisch! Genau so hatte ich mir seinen Titelhelden Mr Chips in jungen Jahren vorgestellt.
Mit seiner Novelle „Good-bye, Mr Chips” gelang dem Journalisten 1934 der Durchbruch als Schriftsteller. Sie wurde ein internationaler Erfolg und mehrfach für Film, Theater und Radio adaptiert.
Dass Hiltons Vater (von Beruf Lehrer) sowie einer seiner eigenen Lehrer als Vorlage für die Titelfigur gedient hat, macht mir den Autor noch sympathischer. Damit ist diese Novelle in Wahrheit eine Liebeserklärung an seinen Vater und an seinen Lehrer.
Ein leises, weises und herzerwärmendes Buch in bester englischer Tradition erzählt.
Eine klare 5 Herzen-Bewertung!
Lesen Sie auch meinen Kommentar zu:
> Simon Becket: "Die Chemie des Todes"
Für Anmerkungen und Anregungen nehmen Sie gerne Kontakt zu mir auf.