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Rückblick April/Mai: Reisebericht Rumänien Teil 4

rückblick April/Mai 2023: Am Schauplatz der Nicolae-Saga

Naturdenkmal: Bigar Wasserfall, Kreis Caras-Severin - nach dem Abbruch

Auf geht's in den Endspurt unserer Rumänien-Tour mit Endziel Timisoara, der diesjährigen Kulturhauptstadt.

Wir haben die Walachei verlassen und befinden uns bereits im Banat, ganz im Südwesten Rumäniens gelegen.

Zwischendurch machen wir aber noch einen Abstecher nach Transsilvanien, um den Szeklerstein zu besteigen und uns anschließend in einem schönen Conac verwöhnen zu lassen. Denn Anstrengung muss belohnt werden, nicht wahr?

Bigar Wasserfall

Auf vielen Fotos wurde er bereits verewigt: der berühmte Bigar Wasserfall. Das Besondere an ihm ist nicht seine gewaltige Fallhöhe, sondern dass er allumseitig über einen wunderschön bemoosten Felsen strömt. Und nun kommen wir das erste Mal her und erfahren, dass ein Teil dieses bemoosten Felsens vor Kurzem abgebrochen ist. Wie außerordentlich schade!

Da wir ihn aber nicht in seinem ursprünglichen Zustand kennen, sind wir alles andere als enttäuscht. Der Abbruch tut unserer Begeisterung für dieses Naturdenkmal jedenfalls keinen Abbruch. Er gilt - oder galt? - als einer der spektakulärsten Wasserfälle der Welt. Nun ist er auch ohne seinen bemoosten "Schirm" immer noch ein hübscher Wasserfall.

Natürlich gibt es auch eine Legende zur seiner Entstehung: Einst ertrank an der Stelle ein Jüngling namens Bigar. Als das Mädchen, das ihn liebte, dort um ihn trauerte und ihre Tränen vergoss, verwandelten sich ihre Haare in einen Wasserfall. Noch heute kommen Verliebte her, um von dem Wasser zu trinken, damit auch ihre Liebe ewig währe.

Baile Herculane

Das berühmte Herkulesbad mit seinen 16 Thermalquellen sorgte schon häufiger für traurige Schlagzeilen.

Idyllisch am Fluss Cerna gelegen und vom Banater Bergland umschlossen, war es bereits im Jahr 153 im Römischen Reich von hoher Bedeutung. Doch seine volle Pracht entfaltete es zu Zeiten der österreichisch-ungarischen Donaumonarchie. Auch Kaiserin Sisi hat hier gekurt.

Von den Glanzzeiten des Herkulesbad zeugen noch heute die vielen Barockbauten, römischen Bäder, Pavillons und die bronzene Herkules-Statue.

Vieles wird zurzeit saniert. Aber das berühmte Barockensemble entlang des Flusses Cerna zerfällt immer mehr. Schon oft wurde im TV darüber berichtet. Immerhin ist ein Teil eingerüstet – wie lange eigentlich schon? Naja, die Hoffnung stirbt zuletzt. Dieses europäische Kulturgut m u s s  einfach erhalten werden!

Piatra Secului - der Szeklerstein

Über den Szeklerstein – aus offensichtlichen Gründen auch "Schlafener Riese" genannt – hatte ich bereits in einem Beitrag für den Rumänienadventskalender 2020 geschrieben.

 

Wir befinden uns in einem Landstrich der Szekler, einer ungarischen Volksgruppe. Bei ihnen werden wir auch diesmal wieder Quartier nehmen. Doch zuvor heißt es, den Szeklerstein zu bezwingen.

Dies war uns 2018 nämlich nicht gelungen – das gute Essen und die Afinata (Heidelbeerschnaps) zur Mittagsstunde hatten die Erdanziehungskraft ganz plötzlich verdoppelt. Und war es nicht auch viel zu warm zum Wandern? So waren wir damals einfach nur ein bisschen zur nahe gelegenen Burgruine geradelt.

 

Doch diesmal wollen wir den schlafenden Riesen unverzüglich in Angriff nehmen. Das Wetter ist vorwiegend bedeckt bei angenehmen Wandertemperaturen. Ein bisschen Proviant haben wir auch dabei. Auf geht's.

 

Die Steigung ist nicht ohne. Stehenbleiben auf dem Gefälle: keine gute Idee! Langsam und stetig setze ich meine Schritte. Zwischendurch kurz rasten und die Aussicht genießen stellt sich als Herausforderung dar, denn mir wird sofort schwindelig. Irgendwie findet mein Auge keinen Orientierungspunkt. Seit wann leide ich unter Höhenangst??? Also lasse ich Alina und Manfred den Rückblick genießen und Fotoaufnahmen machen.

 

Ich konzentriere mich auf den vor mir liegenden Weg. Ein großer glatter Stein mit den ungarischen Farben markiert, kommt mir wie ein Rettungsanker vor. Ich umklammere ihn, um etwas Luft zu schöpfen. Bald, bald haben wir es geschafft, hoffe ich.

 

Denkste! Die Steigung wird immer steiler. Langsam wollen die Oberschenkelmuskel nicht mehr. Da endlich kommt eine Anhöhe in Sicht, die ein grandioses Panorama verspricht. Doch was ist das?? Die ersten Regentropfen fallen. Ach nö!

Naja, wir sind ja nicht aus Zucker. Doch ehe ich mich versehe, schüttet es wie aus Kübeln.

Panoramablick is nich. Die Bergwelt um uns herum versinkt hinter Dunst- und Regenschleiern. Nix mehr zu sehen.

Und was ist mit unserer Belohnung?! Tja …

 

Nützt ja nichts. Enttäuscht machen wir uns auf den Rückweg. Zum Glück lässt der Regen jetzt nach. Der tüchtige Guss hat allerdings gereicht, um aus dem Abstieg durch den Wald die reinste Schlitterpartie zu machen. Die Erde ist derart durchweicht, dass wir mit keinem Tritt Halt finden. Wir hangeln uns von Busch zu Busch, egal ob Dornen dran sind, dann von Stamm zu Stamm. So manches schmächtige Bäumchen gerät zum Lebensretter. Es ist so steil hier, dass selbst zwei Stöcke keinen Halt mehr bieten.

So etwas habe ich noch nie erlebt. Dachte ich neulich noch, der rutschige Schnee beim Abstieg von der Malaieşti-Hütte sei eine echte Herausforderung, kann ich darüber jetzt nur noch lachen.

 

Alle drei sind wir still. Unsere Aufmerksamkeit ist hochkonzentriert auf unsere Schritte gerichtet. Fotografieren ist nicht mehr. Erst als wir weiter unten ein gemäßigteres Gefälle vorfinden und der Untergrund wieder etwas mehr Halt bietet, holen wir wieder Luft und schreiten vor Erleichterung frohen Mutes aus. Einmal hat sich Alina hingelegt, ihre Seite ist schlammverschmiert. Egal, alle Knochen sind heil geblieben, das ist die Hauptsache.

An einem Bach entdecken wir zwei Feuersalamander. Dann haben wir die unteren Weiden erreicht. Eine Kuhherde, durchmischt mit Ziegen, zieht an uns vorbei. Da kommen plötzlich zwei große Hütehunde auf uns zugelaufen. Sofort bleiben wir stehen. Wir sind in ihr Revier eingedrungen und wissen nicht, wie sie auf uns zu sprechen sind. Der Leithund wedelt jedoch mit dem Schwanz, ein gutes Zeichen. Beruhigend sprechen wir auf ihn ein und lassen ihn an unseren Händen schnuppern. Daraufhin lässt er sich streicheln.

 

Doch sein Kumpel ist uns nicht so positiv gesinnt. Wir sind vorsichtig. Da kommt zum Glück der Hirte in Sicht und ruft Alina etwas zu. Sie tun uns nichts, übersetzt sie, sie sind an Touristen gewöhnt. Als daraufhin eine Horde kleiner Wadenbeißer auf uns zugestürmt kommt, bin ich davon nicht wirklich überzeugt. Doch der Leithund verteidigt uns. Wir sind in seiner Herde aufgenommen und genießen seinen Schutz. So geht es zu mit rumänischen Hütehunden. Es ist jederzeit Respekt geboten.

 

Mit schlammverkrusteten Wanderstiefeln lässt Gabriel uns nicht in sein Auto. Sie werden kurzerhand eingetütet.

Conacul Secuiesc

Gabriel war weise genug, den „Schlafenden Riesen“ in Ruhe zu lassen. Stattdessen hat er unser Gepäck auf unsere Zimmer gebracht und sich eine wohlverdiente Pause in der gemütlichen Gaststube im Conacul Secuiesc gegönnt.

Diesmal sind wir im Haupthaus untergebracht. Und wieder bin ich über das liebevoll bemalte Mobiliar entzückt. Bis ins kleinste Detail ist alles durchgestaltet. Selbst die Tissue-Box und das „Bitte-nicht-stören-Schild“ sind in dem typischen Schilfgrün mit Blumenornamentik gehalten.

Die heiße Dusche macht wieder Menschen aus uns. Es bleibt noch Zeit, sich ein wenig auszuruhen.

Das Abendessen nach der anstrengenden Wanderung schmeckt uns doppelt gut. Gabriel bestellt eine Vorspeisenplatte, nach der wir eigentlich schon satt sind. Aber das leckere Hauptgericht wartet noch auf uns.

Das mit dem Nachtisch hat sich also erledigt – mal wieder!

Da uns der schlafende Riese so garstig empfangen hat, bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als noch Mal wiederzukommen. Und dann zeigen wir ihm, wo die Harke hängt. Jawoll!

Timisoara - Kulturhauptstadt 2023

Gegen Mittag kommen wir in Timişoara an, der diesjährigen Kulturhauptstadt. Davon ist zunächst nicht viel zu sehen, sieht man von der großen Jahreszahl ab, die auf einem der Plätze steht. Wir schlendern erst einmal zu zweit durch die Stadt, unter Hotel liegt direkt im Zentrum.

Manche Häuser sind renovierungsbedürftig, einige bereits schick hergerichtet. Wir gehen durch einen Park in der Mitte der Einkaufsstraße in Richtung rumänisch-orthodoxe Kathedrale mit ihren bunten Schindeln. Auf dem Rückweg passieren wir eine Romulus-und-Remus-Statue, sie soll an die römische Herkunft der Rumänen erinnern. Dann stehen wir vor dem Nationaltheater und Opernhaus auf der Piaţa Victoriei, wo 1989, so informiert uns ein Schild, die Revolution ihren Anfang nahm.

 

Später stoßen Alina und Gabriel zu uns. Gemeinsam machen wir einen Stadtrundgang und geraten schließlich auf die Piaţa Unirii, auch Domplatz. Neben anderen imposanten Gebäuden dominiert hier der römisch-katholische St. Georgs-Dom. Die um den großen Platz gruppierten schmucken Häuser und Kathedralen aus dem 18. und 19. Jahrhundert sind frisch renoviert und strahlen trotz des bedeckten Himmels in bunten Farben. Für Architekturliebhaber wie mich ein Eldorado.

Spätestens hier wird klar, warum Timişoara zur k.u.k-Zeit auch "Klein-Wien" genannt wurde.

Trotzdem berührt mich in Timişoara nichts. Ich weiß, dass die Stadt eine Kunstschmiede sein soll, die viele Schriftsteller, Schauspieler, Musiker und bildende Künstler hervorgebracht hat. Nur deutet nichts darauf hin. Außer der Musik- und Theaterakademie neben unserem Hotel, aus der hin und wieder Klavierklänge und Gesang ertönen, spüre ich nichts von einer Stadt, die von Künstlern geprägt ist.

Ich weiß nicht, was ich mir vorgestellt hatte. Vielleicht mehr Straßenmusiker? Oder mehr Kunst im öffentlichen Raum? Nur ein Zebrastreifen in Form einer Klaviertastatur, eine alte Haustür und ein Sofa aus bunten Mosaiksteinen reizen mein Auge.

Die Hauptattraktion in Timişoara sind halt die Gebäude in ihrer unterschiedlichen Architektur. Die Habsburger Zeit hat hier eindeutig ihren Stempel aufgesetzt. Ich könnte auch irgendwo in Österreich sein.

Braşov (Kronstadt) am Fuße der Südkarpaten ist ebenfalls österreichisch geprägt, und doch hat die Stadt etwas ganz eigenes. Auch Sibiu (Hermannstadt) mit seinem eher deutschen Charakter hat etwas Typisches.

Doch hier in Timişoara kann ich kaum glauben, dass ich noch auf rumänischem Boden stehe. Es ist mir irgendwie zu westlich, zu weltlich, zu wischiwaschi. Ja, die Gebäude sind prächtig. Aber ich vermisse die besondere Atmosphäre.

 

Letztes Abendessen auf unserer Rumänien-Tour 2023 - mit Alina Baidoc und Gabriel Iacob von "Authentic Romania"

Ein letztes gemeinsames Abendessen mit Alina und Gabriel, dann heißt es schon wieder Abschiednehmen. Die Zeit verging einerseits rasend schnell. Andererseits haben wir eine ungeheure Menge gesehen und erlebt; vieles was hier keine Erwähnung mehr finden kann, da es den Rahmen sprengen würde.

 

Die Beute an Fotomaterial ist wieder einmal reichlich. Ich freue mich schon jetzt darauf, demnächst meine „Schatzkiste“ mit Bildergalerien bestücken zu können.

 

Ich schließe diesen Bericht mit Freude im Herzen. Denn beim Schreiben erlebt man alles noch einmal. J

 

Mein Dank geht an Alina und Gabriel von Authentic Romania für diese wunderbare Tour!

 


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