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Rückblick April/Mai: Reisebericht Rumänien Teil 3

rückblick April/Mai 2023: Am Schauplatz der Nicolae-Saga

Statue Vlad Tepes im Targoviste Park

Nachdem wir uns in Teil 2 meines Rumänien-Reiseberichts mehrheitlich rund ums Bucegi-Gebirge aufgehalten haben, geht es nun entlang der Südkarpaten weiter westwärts durch die Walachei. (Zwecks Orientierung werfen Sie einfach einen Blick auf die geografische Lage Rumäniens auf der Seite Allgemeines über Rumänien in meiner "Schatzkiste".)

 

Wie gesagt: die Smartphone-Ansicht ist nur das halbe Vergnügen, darum empfehle ich das Anschauen am Bildschirm.

Felsenkloster Negru Voda

Auf unserer Fahrt nach Târgovişte (ehemalige Hauptstadt der Walachei) machen wir einen Stopp beim Felsenkloster Negru Voda, ca. 22 km von Câmpulung-Muscel entfernt. Es liegt verborgen auf einem Felsen in 880 Meter Höhe. Unten fließt arglos die Dâmboviţa bis nach Bukarest und mündet schließlich in die Donau.

Nach einem steilen Anstieg, dem Leidensweg Jesu mit 14 Kreuzstationen, finden wir oben angelangt zwei Kirchen vor:

Die alte Kirche ist direkt in eine natürliche Felsenhöhle gebaut, die neue ist eine Holzkirche im Maramureş-Stil.

Oberhalb der Kirche, auf dem höchsten Felsengipfel, steht ein großes Kreuz. Dort soll der Namensgeber Negru Voda, auch Radu Voda, (Herrscher der Walachei und Gründer des Kloster) um das 13. Jahrhundert oft gesessen haben.

Einer Legende nach soll das Felsenkloster bereits als Zufluchtsort vor den römischen Besetzern gedient haben. Später haben auch Vlad III. sowie andere Landesfürsten dort Schutz gesucht. Denn von unten aus dem Flusstal ist es nicht zu erkennen.

Targoviste PArk

Nachdem wir 2018 bereits den Fürstenhof in Târgovişte (alte Hauptstadt der Walachei vor Bukarest) besichtigt hatten, will ich mir diesmal den danebenliegenden Park näher anschauen. Denn dort – so weiß ich durch Gerald Axelrod, der den wunderbaren Bildband aus der Reihe Mythen und Legenden „Transsilvanien - Im Reich von Dracula“ herausgebracht hat – steht eine ziemlich imposante Büste von Vlad III. mit großem Schwert in Händen.

Einst hatte ich Gerald um Erlaubnis gebeten, das von ihm im Bildband abgedruckte Foto für meinen Buchtrailer verwenden zu dürfen. Daraus ist eine jahrelange E-Mail-Freundschaft entstanden. Längst haben wir uns auch persönlich auf einer seiner Dracula-Führungen auf Burg Lockenhaus (Burgenland/Österreich) kennengelernt.

 

Das Fotomotiv will ich nun mit eigenen Augen sehen und selber Aufnahmen von der vergleichsweise großen Statue machen. Es werden viele, sehr viele. Und aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln.

Auch ansonsten treffe ich wieder auf eine Galerie rumänischer Fürsten, die mir fast alle durch meine Romanrecherche ein Begriff sind. Bekannte Dichter sind hier ebenfalls zu finden.

Es freut mich, wie sehr die Rumänen ihre gekrönten Häupter und Dichter ehren. In fast jedem Städtchen, vor allem in den Parks, findet man ihre Statuen und hält so ihre Geschichte lebendig.

Muzeul Satului Valcea

Es geht weiter Richtung Horezu. Wir halten beim Dorfmuseum Vâlcea, im Ort Bujoreni nahe Râmnicu Vâlcea. Kurz zuvor haben wir den Olt überquert, wir befinden uns nun in Oltenia, der Kleinen Walachei.

 

Diese Region dürfte meinen Lesern aus Band 4 „Nicolae-Abseits der Pfade“ bekannt sein. Dort hat Nicolae auf dem Obsthof von Matilda und dem kleinen Călin Arbeit als Pflücker gefunden und sich später in eine schwierige Lage gebracht.

 

Die Große Walachei (Muntenia = Bergland) liegt hinter uns. Die Kleine Walachei (Oltenia = Land westlich des Flusses Olt) liegt vor uns. Es ist ein hügeliger und sonnendurchfluteter Landstrich mit weitläufigen Wiesen und Weiden, durchsetzt von blühenden Obstbäumen.

Genau so habe ich mir die Region damals beim Schreiben vorgestellt, obwohl ich sie seinerzeit noch nicht mit eigenen Augen gesehen hatte. Selbst das weiche Licht und die laue Luft hatten sich mir beim Schreiben übermittelt. Es ist ein erhebendes Gefühl, das in der Fantasie Entstandene nun in Wirklichkeit zu sehen und es bestätigt zu finden.

Das Dorfmuseum spiegelt diese besondere Atmosphäre wider. Es gibt viel Raum und Grün zwischen den einzelnen Gebäuden. Hier möchte man sich am liebsten für länger niederlassen.

Glück in Horezu

Wir kommen in Horezu an und sind zu unserem großen Bedauern diesmal nicht im Conacul Maldăr untergebracht. Es war ausgebucht fürs Wochenende. Also nehmen wir Quartier in einem Haus ganz in der Nähe. Von außen ebenfalls nett anzusehen, im traditionellen Stil erbaut, mit umlaufenden Veranden und Loggien und allem, was dazu gehört.

 

Als wir unser Gästezimmer betreten dann der Schock: Es ist riesig und düster. Fast meinen wir, wieder in dem alten Haus meiner Schwiegereltern zu stehen, wo sich seit den 60er Jahren nichts verändert hatte. Das Mobiliar ist nicht antik, sondern einfach nur alt – und so riecht es auch. Ein altes Radio und anderer Krempel aus vergangenen Jahrzehnten wurde hier keineswegs dekoriert, sondern einfach nur abgestellt und - der Staubschicht nach zu urteilen - seit Jahren nicht bewegt. Fassungslos stehen wir davor. Der Gedanke, in diesen monströsen muffigen Urgroßelternbetten schlafen zu müssen, lässt mich erschauern.

 

Draußen warten Alina und Gabriel auf uns. Wir wollen zum Abendessen. Alina empfängt uns mit einem Schmunzeln: „Hier ist alles authentisch“ sagt sie mit einem Augenzwinkern. Einen größeren Euphemismus kann ich mir dafür nicht vorstellen.

 

Wir gehen Richtung Haupthaus, das auf den ersten Blick tatsächlich "authentisch", sprich: traditionell eingerichtet, wirkt.

Es hätte ein prächtiger Speiseraum sein können – wäre nicht alles total vollgekramt und lägen da auf zum Teil bereits eingedeckten Tischen nicht Staub und Mörtel, als wäre das ganze Haus seit Monaten in der Renovierung und niemand hätte sich die Mühe gemacht, auch nur einmal einen Feger oder Lappen in die Hand zu nehmen. HIER sollen wir essen?

Ich will dieser Pension nicht unrecht tun. Vielleicht waren sie nur noch nicht so weit. Vielleicht sind wir vor Saisonbeginn gekommen. Dann hätte man aber zumindest zwei entstaubte und gelüftete Gästezimmer herrichten können, oder?

Ein höchst ungeschicktes Geschäftsgebaren der Managerin eines Touristikunternehmens gegenüber. Denn ich glaube kaum, dass Alina diese Unterkunft - trotz ihres ansprechenden Internetauftritts - noch einmal in Betracht ziehen wird.

 

Alina handelt und telefoniert. Sie spricht eindringlich. Plötzlich wirkt sie sehr aufgeregt. Dann die erlösende Nachricht:

Acht Gäste, die im Conacul Maldăr einen Tisch reserviert hatten, sind nicht erschienen. Er gehört uns!

Unser gemeinsames Aufatmen muss man bis dorthin gehört haben. Wenigstens das Abendessen ist gerettet.

 

Wir freuen uns riesig, dass wir den Abend in dem stilvollen Restaurant des Conacul Maldăr verbringen dürfen. Dann die Riesenüberraschung: Es sind auch noch zwei Zimmer freigeworden!!!

Hastig holen wir unser noch ungeöffnetes Gepäck aus dem Albtraumzimmer und werfen es zurück in den Kofferraum. Schon braust Gabriel mit uns davon, ebenfalls froh, diesem seltsamen Ort entfliehen zu können. Allerdings mieten die beiden sich nicht in Maldăr ein, das hätte die Kosten zu sehr in die Höhe getrieben, denn die andere Unterkunft war ja schon bezahlt. Verständlich. Trotzdem tut es uns für die beiden leid.

Nach einem vorzüglichen Mahl dürfen wir unser Mansardenzimmer beziehen. Selbst der kleinste Unterschlupf ist in Maldăr ein paradiesischer Winkel und von Feinstem. Wir sind glücklich und fallen freudig in die reinlichen Linnen.

 

Das Frühstück am nächsten Morgen toppt alles. Dachte ich zunächst, es bestände aus diesem köstlichen Obst-Arrangement mit frischem Brot, Butter und Heidelbeer-Marmelade aus eigener Herstellung, so lerne ich kurz darauf, dass dies nur der Dessert-Tisch ist. Denn das Frühstück in Maldăr besteht aus mehreren Gängen!

Uns fallen fast die Augen aus dem Kopf, als die Bedienung immer mehr Schalen mit köstlichen Speisen auftischt – sofort wünsche ich mir einen mindestens zehnmal größeren Magen.

Mein Highlight ist eine Schüssel Mămăligă mit Schafskäse und Spiegelei. Das sättigt jedoch so sehr, dass an ein Dessert überhaupt nicht mehr zu denken ist. Ach herrje, und inzwischen sind auch noch verschiedene Kuchen aufgetragen worden!

Es nützt nichts. Dem Ganzen sind Grenzen gesetzt. Und so sind wir abermals von Maldăr weggefahren in dem Bewusstsein, dass wir unbedingt wieder herkommen müssen. Es ist jedes Mal aufs Neue in jeglicher Hinsicht ein absoluter Hochgenuss.

Targu Jiu - Brancusi Park

Auf unserer Weiterfahrt halten wir in Târgu Jiu. Hier haben wir schon einmal die Skulpturen des berühmten Bildhauers Constantin Brâncuşi (1876-1957) bestaunt. An diesem Sonntag bei herrlichstem Sonnenschein strahlt uns die unendliche Säule golden entgegen. Fast 30 Meter ragt sie in den Himmel.

Und auch das Tor des Kusses und der Tisch des Schweigens empfangen uns friedlich unter frisch entfaltetem Blätterdach. Entlang des Weges stehen Parkwächter auf ihren Posten und beobachten aufmerksam jeden Schritt, den man Richtung der Kunstwerke unternimmt. Denn Platz nehmen am Tisch des Schweigens ist strengstens untersagt, obwohl es doch so verlockend ist. Im Park bei der unendlichen Säule war bereits jemand zurückgepfiffen worden, der seine Hand nach der Säule ausgestreckt hatte.

Die Wirkung von Brâncuşis Skulpturen kann man nicht beschreiben, man muss sie erleben. Es geht eine beruhigende Klarheit und Friede von ihnen aus.

Die beschauliche Sonntagsatmosphäre lädt uns dazu ein, entlang des Flusses Jiu zu schlendern und auch den hinteren Bereich des Parks zu besuchen. Hier stehen Skulpturen anderer Künstler. Kunst im öffentlichen Raum ist erfreulicherweise überall in Rumänien stark vertreten.

Festungskloster Tismana

Schon oft war mir der Name dieses Kloster untergekommen. Nur 30 km von Târgu Jiu entfernt, sollte ich es nun endlich mit eigenen Augen sehen. Doch leider ist es uns nicht vergönnt, die gesamte Klosteranlage wird saniert. Kaum ein Stück, das unverhüllt geblieben wäre.

Überraschend ist es nicht. Schließlich handelt es sich hier um das älteste rumänisch-orthodoxe Kloster der Walachei, umgeben von steilen Felswänden und Wäldern der Südkarpaten.

Der Name Tismana soll dakischen Ursprungs sein und bedeutet so viel wie „mit Mauern befestigter Ort.“ Und tatsächlich ist die Klosterkirche von hohen Wehrmauern umgeben und erinnert von außen eher an eine mittelalterliche Burg.

Kirchburg wäre ein durchaus zutreffender Begriff, allerdings nicht zu verwechseln mit den siebenbürgischen Kirchburgen, die völlig anderer Bauart sind.

Die Klosterkirche wurde im 14. Jahrhundert zu Zeiten Negru Voda (er fand bereits im Zusammenhang mit dem Felsenkloster im ersten Artikel dieser Seite Erwähnung) geweiht. Nach seinem Tode wurde der Bau weitergeführt, u. a. von Vlad Ҭepeş' Opa, Mircea cel Bătrân (Mircea der Alte 1387-1418).

 

Auf einem Schotterhaufen entdecke ich ein Stück Wandmalerei. Dieses Foto ist irgendwie repräsentativ. Ich werde wohl in ein paar Jahren wiederkommen müssen, um das Kloster in seiner neuen alten Pracht zu bewundern.

Die Wassermühlen von Rudaria

Sie werden tatsächlich noch heute genutzt und sind damit etwas, das Rumänien so liebenswert macht: 22 Wassermühlen werden auf einer Länge von 3 km von dem Fluss Rudărica angetrieben. Jeweils 30 Familien teilen sich eine Mühle und sind für deren Instandhaltung zuständig. Das Anrecht darauf wird vererbt. Erst wenn kein Erbe mehr da ist, der den Anteil übernehmen kann oder will, wird dieser freigegeben und eine andere Familie erhält die Chance, dort ihr Getreide zu mahlen.

Meistens handelt es sich dabei um getrocknete Maiskörner, die zu Maisgrieß für die mămăligă (Polenta) vermahlen werden. Wundersamerweise kann dabei auch manchmal Hochprozentiges herauskommen, wie uns eine Müllerin verkaufstüchtig beweist.

Wir befinden uns bereits im Banat (ganz im Südwesten des Landes gelegen) am Fuße des Almăjului-Gebirges. Durch die Schlucht rauscht der Gebirgsbach. Aus den Felswänden sprießen leuchtend gelbe Frühlingsblumen. Ein schöner Flecken Erde, den viele Sonntagsausflügler zu schätzen wissen.

Mehr zu den Wassermühlen von Rudăria erfahren Sie hier.


Weiter geht's mit dem 4. und letzten Teil unserer Rumänien-Tour im nächsten Beitrag.

Bleiben Sie dran!