Seuchen des 19. Jahrhunderts-Teil 1: Cholera
Medizingeschichte – ist ein Thema, das sich durch die gesamte Nicolae-Saga zieht. Das 19. Jahrhundert galt als das "Jahrhundert der Medizin". In keiner Epoche wurden in dieser Wissenschaft so viele neue Erkenntnisse gewonnen und Fortschritte erzielt. Trotzdem wurde es von todbringenden Krankheiten und Seuchen dominiert.
In keinem anderen Jahrhundert starben so viele Menschen an Schwindsucht – wie die Tuberkulose damals genannt wurde –, Diphterie oder Cholera. Eine der Ursachen für die rasche Verbreitungsform ist in den zunehmenden Ballungsräumen der Großstädte zu finden, welche die Industrialisierung mit sich brachte, insbesondere in den menschenunwürdigen Wohnverhältnissen der Elendsviertel.
Ursachen und Verbreitungsformen der todbringenden Krankheiten waren bis dahin unbekannt, obwohl bereits verschiedene Theorien kursierten.
Florence Nightingale: Reformerin der Krankenpflege
Judith Woodward, eine meiner weiblichen Hauptfiguren der Nicolae-Saga, hat den Seuchen ihres Jahrhunderts den Kampf angesagt. Bereits in jungen Jahren hat sie sich der Medizin verschrieben.
Als Florence Nightingale im Jahre 1860 am Londoner St. Thomas’ Hospital die erste Schule für Krankenpflege eröffnet, gehört Judith zu den 15 Auszubildenden des ersten Jahrgangs. Eine von Nightingales Forderungen lautet: „Eine gesunde Lebensführung zur Vermeidung von Krankheiten und schnelleren Genesung“. Hygiene heißt ihr oberstes Gebot, wozu Sauberkeit, richtige Lüftung und eine ausgewogene Ernährung gehören.
Hört sich das nicht hochaktuell an? Und seit Corona wissen auch wir endlich wieder, was Hygiene bedeutet. Diese schien in unseren modernen Zeiten ziemlich in Vergessenheit geraten zu sein. Wieso eigentlich?
Ich habe da so einen Verdacht, dass die inflationär eingesetzte Allzweckwaffe „Antibiotikum“ zur Antwort auf diese Frage beitragen könnte. Nach dem Motto: wozu sich mit hygienischen Maßnahmen abmühen, wenn man im Falle aller Fälle einfach nur eine Pille zu schlucken braucht. Die Rechnung bekommen wir heute präsentiert: immer mehr resistente Keime!
Cholera-Epidemie in London 1866
Judith jedenfalls kämpft 1866 noch mit Seife und abgekochtem Trinkwasser gegen die Cholera-Epidemie in den Londoner Elendsvierteln. Sie assistiert
inzwischen einem Armenarzt im Londoner East End, in Stepney.
"Seit Wochen stellen wir ein und dieselbe Diagnose: Cholera. Kaum, dass wir die verdreckten und viel zu engen Behausungen betreten, stößt uns der Gestank des Todes entgegen, den selbst der Geruch von Unrat und Fäkalien nicht zu übertünchen vermag. Ein Bild des Jammers empfängt uns.
Die Erkrankten lagern oftmals nur auf etwas Stroh oder verschmutzten Fetzen am Boden. Abgemagert und von Krämpfen gepeinigt, blicken sie uns teilnahmslos aus eingesunkenen Augen entgegen, die Gesichter grau wie Blei. Dann wissen wir bereits, dass wir zu spät kommen." (Aus Band 1 der Nicolae-Saga "Zwischen den Welten")
Judith stellt sogar eine eigene Theorie über die Verbreitung dieser Seuche auf, die allerdings der gängigen Lehrmeinung entgegen steht. Damals glaubte man nämlich noch an eine Ansteckung über die Luft, während Judith die Ursache in mit Fäkalien kontaminiertem Trinkwasser sah. Eigene Beobachtungen bezüglich viel genutzter Straßenpumpen jenseits der Londoner Kanalisation führten sie zu dieser erst Jahre später, von Robert Koch nachgewiesenen, wissenschaftlichen Erkenntnis.
Cholera-Epidemie in Hamburg 1892
Sechsundzwanzig Jahre später sollte Hamburg seine letzte Cholera-Epidemie erleben. 1892 erkrankten fast 17.000 Bürger, von denen über 8600 gestorben sind.
Wie konnte es dazu kommen?
Die Seuche brach während eines ungewöhnlich heißen Sommers aus. Bei dem niedrigen Wasserstand der Elbe konnten sich die Erreger in dem warmen Wasser schnell vermehren. Und so unglaublich es heute auch klingt, seinerzeit hatte man noch keine Filteranlagen gebaut! Das Trinkwasser wurde ungereinigt der Elbe entnommen, in die an anderer Stelle die ungeklärten Abwässer aus der Kanalisation eingeleitet wurden.
Man rief Robert Koch aus Berlin zur Hilfe; er hatte 8 Jahre zuvor bereits den Erreger in verunreinigtem Trinkwasser nachgewiesen.
In Folge wurde das Gänge-Viertel (von Robert Koch als „Pesthöhle und Keimbrutstätte“ bezeichnet) saniert - d.h. zum größten Teil abgerissen - und das Filtrierwerk der Hamburger Wasserwerke auf Kaltehofe in Betrieb genommen. Zudem erhielt die Hansestadt eine Müllverbrennungsanlage, was darauf schließen lässt, dass zuvor neben Fäkalien sämtlicher Unrat in die Elbe geleitet wurde.
Ich stellte fest: Judith war ihrer Zeit weit voraus! Nur hat man seinerzeit ihrer wissenschaftlichen Meinung – zumal als Frau – keinerlei Beachtung geschenkt.
Lesen Sie In Kürze: Seuchen des 19. Jahrhunderts - Teil 2: Schwindsucht